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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Jahre alt hielt und seit kurzem selbstmörderische Neigungen entwickelt hatte.
    »›Messer, Gabel, Schere, Licht…‹«, begann Corwin Maddox, »…jedes Kind kann diesen Reim zu Ende bringen. Und jeder, der einmal Opfer der Revolverpresse geworden ist, wird Ihnen sagen können, dass das nicht das Ende des Liedes ist – bei weitem nicht. Worte verletzen; Worte können sogar töten. Wenn man sie richtig benutzt, können Worte Karrieren ruinieren, Ehen kaputtmachen und Schicksale verändern. Worte können in die dunklen Ecken des menschlichen Daseins vordringen und ein gleißendes Licht auf die Geheimnisse werfen, die dort verborgen liegen. Jedenfalls theoretisch. Würde man eine Gruppe von Journalisten und Fotografen anheuern – und zwar solche, die für einen guten Artikel die Seele ihrer Großmutter verkaufen würden –, ihnen unbegrenzte Mittel zur Verfügung stellen, damit sie jede beliebige Story verfolgen könnten, und dies alles vor einem Publikum ausbreiten, das in die hunderte Millionen geht… würde man all dies tun, so könnte jede Geschichte, die ein Mensch erleben kann – ob wahr oder erfunden –, früher oder später erzählt werden, wenn auch mit zehn Zentimeter großen Überschriften, Farbfotos und einem Text, der das Bild einer nackten Brünetten in einem Ferrari einrahmt.
    Aus diesem Grund habe ich im letzten Jahr eine neue Boulevardzeitung ins Leben gerufen. Und vor zwei Jahren jene, die ihren Sitz in London hat. Und drei weitere im Jahr davor. Alle diese Zeitungen habe ich gegründet, um jedes ungewöhnliche Ereignis im menschlichen Dasein aufzuspüren und aufzuzeichnen, vom Bild der Heiligen Jungfrau, das jemand in einer Portion Pommes Frites gesehen haben will, bis zum liederlichen Liebesleben der US-amerikanischen Senatoren. Keine dieser Geschichten ist unter meiner Würde. Und früher oder später werde ich die eine Geschichte finden, die wahre Geschichte. Jene Geschichte, die mir nach über zweitausend Jahren endlich die letzte Ruhe verspricht.«
    »Ist das Ihr Wunsch, Herr Maddox?«, fragte die Ärztin in routiniert mitfühlendem Tonfall. »Zu sterben?«
    »Nach so vielen Jahren wird man einfach ein wenig müde.«
    »Ist das der Grund, warum Sie…«, sie hielt inne und blätterte in den Papieren auf ihrem Klemmbrett, »… warum Sie sich in der Türkei erhängen wollten?«
    »Nein«, berichtigte er sie, »ich habe mich tatsächlich erhängt. Allerdings hat das nicht zum gewünschten Ergebnis geführt. Stattdessen habe ich fast einen ganzen Tag dort gebaumelt, bis irgendein wohlmeinender Samariter mich hinaufgezogen und die Behörden verständigt hat. Ich hatte schon nach etwa zwei Stunden festgestellt, dass es nicht funktionieren wird, aber es fehlte mir die Kraft, mich an dem sechs Meter langen Seil wieder hinaufzuziehen.«
    »Sechs Meter? Erstaunlich, dass Sie sich nicht das Genick gebrochen haben.«
    »Hmm. Das war der eigentliche Zweck des Unterfangens. Aber es hat nichts genützt. Das habe ich nun davon, dass ich dem Wort des Gottessohnes hinterher jage.«
    »Nun, wenn Sie sich ohnehin umbringen wollen, was nützt es dann, nach ihm zu suchen?«
    Maddox zuckte mit den Achseln. »Er ist bekannt dafür, dass er einem Wünsche erfüllt. Ich denke, wenn ich ihn nur aufrichtig genug bitte, wird er mich vielleicht erhören.«
    »Und Sie hoffen, Jesus Christus aufzuspüren, indem Sie Nachrichten über ungewöhnliche Phänomene nachgehen?«
    »Natürlich«, fuhr Maddox fort. »Schließlich hat es so angefangen – mit einer ungewöhnlichen Geschichte. Es heißt immer, die ganze Sache hätte mit dem Erscheinen eines sensationellen neuen Sterns begonnen – und der hat zugegebenermaßen auch eine Rolle gespielt. Wirklich aufmerksam wurden wir jedoch erst durch die Kaninchen, oder vielmehr durch deren Abwesenheit. In einem Gebiet im mittleren Osten, das ungefähr die Größe von Ohio hat, rotteten sich in jener schicksalshaften Nacht urplötzlich sämtliche Kaninchen zusammen und erhoben sich wie ein Schwarm pelziger Hornissen in die Lüfte. Ich meine, sie sind wirklich geflogen. Ich konnte zwar nicht genau feststellen, ob ihnen tatsächlich Flügel gewachsen waren, denn als ich auf das Phänomen aufmerksam wurde, hatten sie bereits eine ziemliche Höhe erreicht. Aber diese Viecher sind in den Himmel aufgestiegen, als sei das die natürlichste Sache der Welt! Gemeinsam mit anderen erstaunten Augenzeugen habe ich zugesehen, wie der schlappohrige Schwarm mit der Anmut fliegender Gänse

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