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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Notarztwagen ein. Ihm folgte ein Streifenwagen der Polizei mit Blaulicht.
    Die Sanitäter machten sich sofort an die Arbeit. Während sie der Verletzten eine Atemmaske überstülpten und sie in den Wagen schoben, begann sich eine Menge von Schaulustigen zu versammeln: die für die Uptown so typische Mischung aus schwarzen und indianischen Gesichtern sowie Leuten aus dem Nahen Osten. Zwei Mädchen mit Kopftüchern deuteten und plapperten wild durcheinander; ein Erwachsener trat aus einem Wohnhaus, gab einer von ihnen eine Ohrfeige und zog sie beide hinein.
    Ich suchte in der Hoffnung, eine Brieftasche oder irgend etwas anderes zu finden, das zur Identifizierung der Verletzten beitragen konnte, mit meiner Taschenlampe auf dem Boden herum, wurde aber schon bald von einem der Polizisten aufgehalten, der mich mit der Bemerkung, die Sichtung des Unfallortes sei Sache der Polizei, zu Mary Louise zurückführte.
    Mary Louise legte schützend den Arm um Emily, während wir Fragen beantworteten. Die Beamten sahen sich mit mir zusammen den Trans Am genauer an. Der Hydrant hatte die Motorhaube aufspringen lassen und die vordere Radachse verbogen.
    »Sind Sie die Fahrerin des Wagens, Ma'am?« fragte mich einer der Beamten. »Kann ich Ihren Führerschein sehen?«
    Ich holte ihn aus der Tasche. Er übertrug die daraufstehenden Angaben langsam auf seinen Bericht und überprüfte schließlich, ob ich irgendwelche Verwarnungen wegen Trunkenheit am Steuer hatte. Als seine Nachforschungen negativ ausfielen, ließ er mich sehr zum Vergnügen der kichernden Schaulustigen mit kleinen Schritten auf einer geraden Linie gehen.
    »Würden Sie mir bitte sagen, wie das passiert ist, Ma'am?«
    Ich sah Mary Louise an, beantwortete aber dann doch selbst die Frage: kein Licht von den Straßenlaternen, Körper mitten auf der Straße, Ausweichmanöver, Kollision mit dem Hydranten.
    »Und was hatten Sie überhaupt hier auf dieser Straße verloren, Ma'am?«
    Normalerweise erkläre ich einem Polizisten auf eine solche Frage, dass ihn das nichts angeht, aber normalerweise habe ich auch keine Sechzehnjährige mit vor Schreck weißem Gesicht dabei. Arme Emily. Der Abend war für sie sowieso schon verdorben; da brauchte ich mich nicht auch noch mit der Polizei herumzustreiten. Also sagte ich artig, ich habe Mary Louise und Emily nach Hause bringen wollen und eine Abkürzung über die Seitenstraßen genommen. Zwar habe sich dieser Weg als der längere erwiesen, aber wenigstens habe die Verletzte so eine Chance bekommen. Eigentlich ärgerte mich nur, dass der Wagen nun Schrott war. Da bekam ich ein schlechtes Gewissen: Eine junge Frau kämpfte mit dem Tod, und ich machte mir Gedanken wegen meinem Wagen. Aber größere Reparaturen oder gar ein neues Gefährt waren in diesem Sommer in meinem Budget einfach nicht vorgesehen. Wieder einmal musste ich an den opportunistischen Murray denken.
    »Und wo waren Sie mit der jungen Frau?« hakte der Beamte mit einem skeptischen Blick nach, der verriet, dass er sich fragte, was zwei erwachsene Frauen mit einem Teenager vorhatten, mit dem sie möglicherweise nicht einmal verwandt waren.
    »Wir waren zu der Party mit Lacey Dowell eingeladen«, sagte Mary Louise. »Ich bin Emilys Pflegemutter und lasse sie in ihrem Alter noch nicht allein zu solchen Veranstaltungen. Sie können Detective Finchley im First District anrufen, wenn Sie irgendwelche Fragen haben - er war vier Jahre lang mein Vorgesetzter und kann Ihnen erzählen, wie Emily und ich zusammengekommen sind.«
    Danach war die Situation weniger angespannt. Einer der Beamten kannte Finchley, und wenn Mary Louise eine von ihnen war, dachten sie wohl, konnte sie kaum in kriminelle Machenschaften verwickelt sein. Die Beamten halfen mir, den Trans Am von dem Hydranten wegzuschieben. Sie fuhren uns sogar nach Hause. Mir war das ganz recht, denn so musste ich nicht auf den 22er Bus warten.
    Als wir losfuhren, sahen uns die Schaulustigen amüsiert nach. Der Zwischenfall hatte ein für sie befriedigendes Ende gefunden: Die Polizei brachte drei weiße Frauen mit dem Streifenwagen weg.

Hausbesuch
    Mein Vater lag im letzten Stadium seiner Krankheit auf der Straße. Er hatte sein Sauerstoffzelt am Gehsteigrand zurückgelassen und schnappte nach Luft. Bevor ich zu ihm gehen und ihm aufhelfen konnte, kam ein Streifenwagen um die Ecke und überfuhr ihn. Ihr habt ihn umgebracht, ihr habt ihn umgebracht, versuchte ich zu schreien, aber es kam kein Ton heraus. Bobby Mallory, der älteste

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