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Die verschwundene Lady (German Edition)

Die verschwundene Lady (German Edition)

Titel: Die verschwundene Lady (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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solle sich benehmen.
    »Ich bin bald wieder zurück, alter Kater, und dann machen wir uns einen gemütlichen Nachmittag. Du bist schließlich der einzige Mann in meinem Leben.«
    Das Tier schnurrte. Es war schwarz und hatte einen dreieckigen weißen Fleck am Hals und eine weiße rechte Vorderpfote. Es stimmte, dass Anne keinen Freund hatte. Die Verbindung zu einem Jugendfreund, der Turnierreiter geworden war, hatte sie gelöst, weil e r keine Zeit mehr für sie aufge bracht hatte. Anne hatte ihm vorgeschlagen, ein Springpferd zu heiraten. Das hätte eine glückliche Verbindung gegeben.
    Dann war Anne von einem Assistenzarzt bitter enttäuscht worden. Dieser Lump, an den Anne jetzt noch mit Erbitterung dachte, war ein ganz großer Casanova und Schwindler gewesen. Zahlreiche Überstunden, die er angeblich im Krankenhaus zugebracht hatte, hatte er in Wirklichkeit anderen Frauen gewidmet. Der Vertrauensbruch hatte Anne bitter geschmerzt.
    Zumal dieser Bursche sich rühmte, mit sämtlichen attraktiven Krankenschwestern in seiner Klinik geschlafen zu haben und auch über Anne indiskret gesprochen hatte. Seitdem war er Luft für die Studentin. Sie war jetzt im dritten Semester und bereitete sich auf ihr erstes Examen vor.
    Anne Carmichael ging zur Haltestelle. Als der Bus anfuhr, reihte sie sich mit typisch britischer Selbstdisziplin in die Wartereihe ein. Ein Gerangel beim Einsteigen wie auf dem Kontinent gab es hier nicht.
    Anne musste einmal umsteigen und gelangte dann zum Belgravia Square. Peter Stanwell hatte seine Kanzlei in einem schönen alten Haus, das noch im Stil vor der Jahrhundertwende erbaut war. Damals, als Gaslate rn en die Londoner Straßen beleuchteten und Jack the Ripper mit dem Dolch in der Tasche durch die Straßen schlich.
    Peter Stanwell war alleinstehend. Er war nie verheiratet gewesen. Soweit Anne wusste , verbrachte er seine freie Zeit hauptsächlich in seinem Klub, einem der vornehmsten in London. Stanwell hatte in Eton studiert, und das war für ihn eine Lebensanschauung.
    Die junge Frau betrat die Kanzlei im Erdgescho ss . Stanwells Kanzleisekretärin, eine flachbrüstige, bebrillte, geschlechtslose Person, meldete Anne an. Sie musste eine Weile warten. Dann verließen zwei Klienten, ein Mann und eine Frau, beide jünger, das Sprechzimmer des Anwalts. Anne wurde ins Büro gebeten. Sie hörte die junge Frau schluchzen. Der Mann schaute grimmig.
    Peter Stanwell stand an der Tür, groß, hager, vornübergebeugt und mit schütterem sandfarbenem Haar. Seine spitze Nase ließ ihn grämlicher erscheinen, als er meistens war. Er begrüßte Anne wieder förmlich, bot ihr Platz vor seinem wuchtigen antiken Schreibtisch an und schlo ss die doppelte, schallgedämpfte Tür. Im Kamin flackerte ein Feuer. Es war warm in dem Zimmer, die Luft trocken. In den zwei bis zur Decke reichenden Bücherschränken, die zwei Wände ausfüllten, standen achtunggebietende ledergebundene Folianten. Es gab noch einen kleineren Besuchertisch mit zierlichen Stühlen. Doch Anne hatte weder selbst je dort gesessen, noch jemanden da sitzen sehen.
    Zwei Stahlstiche, die streng blickende Juristen in ihren Roben zeigten, beide mit Perücken, hingen an der Wand. Der eine Perückenträger war Lordoberrichter gewesen, ein Vorfahr von Peter Stanwell.
    Stanwell setzte sich hinter seinen wuchtigen Schreibtisch und rückte, wie jeden Tag tausendundeinmal, die E tonkrawatte zurecht.
    »Anne, ich habe dich hergebeten, w e il ich mich wegen deiner Mutter sorge. Sie benimmt sich in letzter Zeit reichlich merkwürdig.«
    Zwei Grübchen erschienen in Annes Wangen. Doch noch schwieg sie . Das Lächeln verging ihr jedoch gleich.
    »Nicht genug damit, sie geht auch in einer Weise mit Ihrem und deinem Vermögen um, dass ich es gelinde gesagt befremdlich finde.«
    »Was stört dich denn so, Onkel Peter?«
    »Höhere Abhebungen und Transferierungen auf Fremdkonten. Wofür sie das Geld verwendet, hat mir Marion nie gesagt.«
    Das erschien Anne nun doch merkwürdig. Eine Geheimniskrämerin war ihre Mutter nie gewesen, bevor sie Lord Henry kennengelernt hatte.
    Trotzdem sagte Anne: »Es ist ihr Geld, Onkel Peter. Mutter ist bestimmt keine Verschwenderin. Um wie viel handelt es sich denn?«
    »Um bisher rund hunderttausend Pfund.«
    »Hunderttausend?«
    Anne erschrak. Bei Stanwells Pingeligkeit hatte sie mit maximal fünfzehnhundert bis zweitausend Pfund gerechnet. Anne hatte geglaubt, dass ihre Mutter sich vielleicht einen Pelzmantel oder so etwas gekauft

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