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Die Verschwundenen

Die Verschwundenen

Titel: Die Verschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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beruhigte ihn jedes Mal und half ihm beim Nachdenken. Der Verkehr und die Lichter hatten eine beinahe hypnotische Wirkung.
    Decker mochte glauben, dass sie auf der richtigen Spur war: Laura Robinski hatte mehrere Leute betrogen, die dem organisierten Verbrechen nahestanden. Eine Zeit lang hatte sie sich erfolgreich verstecken können, bis die Betrogenen sie aufgespürt hatten. Und genau diese Leute, für die Robinski früher gearbeitet hatte, wollte Decker nun unter die Lupe nehmen.
    Cotton war nicht davon überzeugt. Zu vieles an dem Fall passte nicht zusammen. Und da war dieser Identitätsdiebstahl, der Mr. High so sehr beunruhigte. Klar, die Mafia mochte zu so etwas in der Lage sein. Aber wie hätte Robinski die Möglichkeiten der Mafia nutzen sollen, wenn sie vor ihr auf der Flucht war?
    Nein, da gab es noch einen anderen Zusammenhang, den sie bisher nicht entdeckt hatten.
    Da Cottons Heimweg nach Brooklyn ihn nah genug an die Docks heranführte, wo man Laura Robinski gefunden hatte, beschloss er, sich dort ein wenig umzusehen – bei Dunkelheit, ganz so, wie die Tote diesen Ort in den letzten Augenblicken ihres Lebens erlebt hatte.
    Cotton fuhr einen großen Bogen in Ufernähe, von der Columbia bis zur Beard Street. Dabei hielt er die Augen offen und versuchte abzuschätzen, wo Robinski das Hafengelände betreten hatte. Schließlich ließ er den Wagen stehen und ging zu Fuß an den Docks entlang.
    Er wusste, wo man die Tote gefunden hatte – aber niemand hatte eine Ahnung, wie sie zum Wasser gelangt war. Womöglich war sie gar nicht dort ins Hafenbecken gefallen, wo man sie gefunden hatte. Vielleicht hatte der Tidenhub ihre Leiche von ganz woanders in die Docks getrieben.
    Dennoch. Da war dieses verwahrloste Gelände ganz in der Nähe des Fundortes. Es sah verlassen aus – genau der richtige Ort, wo des Nachts unbemerkt Dinge vor sich gehen konnten, die vor den Augen der Gesetzeshüter verborgen bleiben sollten. Cotton beschloss, dort eine Runde zu drehen.
    Der Pier erinnerte eher an einen Schrottplatz als an eine Lagerfläche. Die Lagerhallen sahen verkommen aus. Nur wenige Lichter brannten rings um das Gelände, und der Bereich zwischen den Containern und im Schatten der baufälligen Aufbauten lag im Finstern. Kaum vorstellbar, dass Laura Robinski freiwillig hier langgegangen war.
    Unvermittelt flammte eine Taschenlampe auf und strahlte Cotton mitten ins Gesicht.
    »Halt!«, rief eine Stimme. »Was wollen Sie hier?«
    Cotton riss die Arme hoch. Der Mann war hinter einem offenen Container hervorgesprungen, so plötzlich, dass Cotton nicht mehr reagieren konnte. Er sah nicht einmal, ob der Kerl mit der Taschenlampe bewaffnet war. Er musste Zeit gewinnen.
    »Was machen Sie hier?«, fragte er.
    »Ich arbeite hier, Mann«, entgegnete der andere und senkte die Lampe ein wenig. Cotton erkannte Umrisse hinter dem Licht – es sah fast nach einer Uniform aus. Er blinzelte.
    »Nur die Ruhe, Mister«, sagte Cotton. »Ich bin von der Polizei. Ich wollte mich hier nur mal umsehen.«
    »Wegen der Toten, hm?«
    Der Mann nahm die Lampe herunter. Cotton stellte fest, dass es sich um einen Nachtwächter handelte. Er blieb misstrauisch. Erst als Cotton ihm seine Marke zeigte, wurde der Mann redseliger. Er stellte sich als Ray Phillips vor, ein rundlicher, ein wenig ältlicher Schwarzer mit Halbglatze. Er hatte wenig von einem Polizisten an sich, auch wenn seine Uniform vermutlich ein solches Auftreten bewirken sollte.
    »Seit dem Zwischenfall laufe ich weit mehr als die üblichen Runden«, sagte er. »Furchtbar, das. Furchtbar.«
    »Hatten Sie in der Nacht Dienst, als die Frau ertrunken ist?«, fragte Cotton.
    Der Wachmann nickte. »Aber ich habe erst einen Tag später davon erfahren. Nachdem die Leiche aus dem Wasser gezogen wurde.«
    »Sie haben in der Nacht selbst also nichts mitbekommen? Sie wissen nicht einmal, ob die Tote vorher hier auf dem Gelände war?«
    »Nein. Das hab ich Ihren Kollegen ja schon gesagt. Da muss ich in der Wachstube gewesen sein.« Er blinzelte. Cotton sah ihm an, dass er etwas verschwieg.
    »Kommen Sie, Phillips«, sagte er. »Wenn Sie uns noch irgendwie weiterhelfen können … Ich bin mir sicher, Sie finden auch keine Ruhe hier, solange wir den Fall nicht aufgeklärt haben.«
    »Ja, nun …« Phillips zögerte. »Mir ist nichts aufgefallen. Aber der alte Jamie weiß vielleicht mehr.«
    »Wer ist das?«, fragte Cotton.
    »Ein Obdachloser. Er streunt abends oft hier herum und sucht nach Sachen, die

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