Die Verwandlung - Blutsbande 1
mir egal. Ich konnte mich frei machen. Mit einer Hand versuchte ich die Blutung an meinem Hals zu stoppen, aber das warme Blut rann mir durch die Finger. Es war hoffnungslos, und das wusste ich. Bevor mich jemand finden konnte, würde ich am Boden der Leichenhalle verbluten.
Dann sah ich die weißen Schuhe der Leute vom Notfallteam, die in den Raum stürmten. Ich hob die freie Hand, um ihnen zu winken. Nur einer kam auf mich zu, die anderen blieben wie versteinert stehen.
„Es ist nicht schlimm, das kriegen wir schon wieder hin“, sagte der junge Krankenpfleger, als er meine Finger von der Wunde im Nacken löste.
Das war das Letzte, woran ich mich erinnern konnte.
WEITERE UNSCHÖNE ÜBERRASCHUNGEN
Ich lag fast einen Monat lang im Krankenhaus. Die Polizei stattete mir mehrere Besuche ab. Sie notierten sich meine Beschreibung von John Doe – die Reißzähne und so weiter –, aber sie fragten sich unter Garantie, unter welchen Schmerzmitteln ich wohl gestanden haben mochte. Der erste Kommissar, der mir Fragen stellte, war zwar schnell zum Tatort gekommen, aber da war John Doe schon verschwunden. Die letzte Zeugenbefragung ging schnell, und obwohl die Polizei mir versicherte, dass sie weiter am Fall arbeitete, hatte ich keine große Hoffnung, dass sie etwas herausfinden würde. Wer oder was John Doe auch war, sicherlich war er klug genug, um entkommen zu können.
Einige Kolleginnen aus der Notaufnahme kamen mich besuchen. Sie wirkten nervös und blieben nicht lange. Wir machten Witze über den Schlussverkauf nach Thanksgiving, den ich verpasst hatte. Sie scherzten, ich würde mich mit den Weihnachtseinkäufen beeilen müssen, wenn ich überhaupt rechtzeitig entlassen würde. Ich hielt es für nötig, ihnen zu sagen, dass ich niemanden hatte, für den ich Geschenke kaufen musste.
Die nicht enden wollenden Besuche hatten ein Gutes: Man brachte mir die Zeitungsausschnitte mit, in denen über den Vorfall berichtet wurde. Zwar wollte ich sie nicht sammeln und in ein Album einkleben, aber immerhin erfuhr ich aus den Artikeln mehr, als mir die Polizisten sagen konnten.
Den Zeitungen zufolge war der Wächter des Leichenkellers, Cedric Kebbler, von einem Unbekannten angegriffen und getötet worden. Wahrscheinlich handelte es sich bei dem Verdächtigen um einen Patienten, der aus der Psychiatrie ausgebrochen war. Ich hatte ihn dabei überrascht, wie er gerade sein Opfer tötete, und wurde deshalb selbst zum Opfer. Ich stürzte und der Täter entkam durch das einzige Fenster des Leichenkellers. Ich wurde nicht interviewt, weil mein „Gesundheitszustand“ und meine „Angstattacken und mein posttraumatisches Syndrom“ es nicht zuließen. Letzteres wurde von einem Psychiater der Klinik in einem kurzen Gespräch diagnostiziert. Währenddessen befand ich mich in einem Nebel, der von den morphinhaltigen Beruhigungsmitteln hervorgerufen wurde, die ich bekam.
In keinem der Artikel war die Rede davon, dass John Does Körper verschwunden sei und in welchem seltsamen Zustand die Leiche von dem Wächter war. Entweder hatte die Polizei diese Einzelheiten verschwiegen oder die Pressesprecherin der Klinik war wirklich eine tolle Kraft.
Als mich Dr. Fuller besuchte, fühlte ich mich in meiner Haut sehr unwohl. Offensichtlich reichte es ihm nicht, mich als Ärztin abgeschrieben zu haben. Er musste mich auch als Mensch völlig fertigmachen. Er stellte sich an das Fußende meines Bettes, hatte meine Krankenakte in der Hand und las sie, fast ohne mich dabei eines Blickes zu würdigen. Dann klappte er mit einem tiefen Seufzer die Mappe zu und sagte: „Nun, das sieht nicht gut aus, nicht wahr?“
Er hatte recht. In der Woche nach meiner Begegnung mit John Doe war ich zweimal operiert worden. Erst einmal musste die Wunde an meiner Halsschlagader versorgt werden, und danach wurden die Glassplitter aus meiner Schädeldecke entfernt. Nach der ersten Operation setzte im Aufwachzimmer mein Herz aus, was der behandelnde Arzt mit einer flotten Handbewegung beiseitewischte, als würde mich seine Unbekümmertheit in irgendeiner Weise beruhigen.
Außerdem durfte ich eine Reihe spaßiger Impfungen genießen, wie zum Beispiel Tetanus und Röteln – nur als Vorsichtsmaßnahmen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass John Doe mich in einem Anfall von Tollwut attackiert hatte, aber mich fragte ja niemand nach meiner Meinung, und außerdem war ich nicht in der Position, mich darüber aufzuregen.
Während meines langen Krankenhausaufenthaltes fing
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