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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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    »Und das wär’ dann Ihr Zimmer«, sagte Frau Zierholt, ein korsettverschnürtes Paket praller Mütterlichkeit. Das Dunkel des Korridors erhellte sich nur unwesentlich, als sie öffnete. Die Tür war falsch angeschlagen; statt ins Zimmer hinein, ging sie nach außen auf.
    Wie bei einem Abstellraum, dachte Lukas. Das kommt davon, wenn man sich auf den Immobilienhändler verläßt. Er trat ein. Das Abenteuer begann mit einem etwa türbreiten Stollen, der — wie sich später herausstellte - die fensterlose Besenkammer umschiffte; dann wich die linke Wand bis zur eigentlichen Zimmerbreite zurück, wodurch eine Nische entstand. Couch, Zwischenraum, Tisch, Papierkorb füllten sie vollkommen aus. Fenster zur Schattenseite des Lebens und daneben ein Schrank, dem man schon von außen ansah, wie er innen riechen mochte, bildeten die Stirnseite, während die rechte Wand über eine zeitlose Lehrlingsarbeit von Bücherregal schnurgerade zum Stollen zurückführte. Darüber baumelte in beachtlicher Höhe unter einem tulpenförmigen Milchglasschirm ein einsames Birnchen. Ein Zimmer von evangelischer Schmucklosigkeit.
    »Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohl fühlen. Nicht, daß wir es nötig hätten, aber mein Vater war Hotelier, Vermieten ist sozusagen mein Hobby, gell! Ich bin da erblich belastet.« Ein lautstarkes Rauschen auf der Couchseite unterbrach ihren vorbeugenden Optimismus. »Die Toilette ist gleich nebenan. Dann kommt das Bad, alles sehr praktisch, wie Sie sehen. Diese alten Häuser sind eben doch mit Verstand gebaut... großzügig, solide und unvergleichlich ruhiger als so ein Neubau.«
    Sie öffnete das Fenster.
    »Ihren Wagen können Sie im Hof abstellen, hier, gleich neben der Teppichstange... sonst kann Herr Czibulka morgens nicht raus. Gell! So, jetzt will ich Sie aber nicht mehr länger aufhalten. Sie wollen sicher auspacken. Hier«, sie deutet auf den Tisch, »liegt die Wohnungsordnung, mit der Sie sich bitte vertraut machen wollen... Und vergessen Sie nicht die polizeiliche Anmeldung. Mein Mann legt größten Wert auf Pünktlichkeit. Das Revier ist gleich rechts um die Ecke in der Seyboldstraße, Formular finden Sie draußen im Flur auf der Kommode. Gell? Da steht morgens auch Ihr Frühstückstablett.« Lukas tat einen ersten, tiefen Atemzug in der neuen Atmosphäre. Ein Gemisch von Parkettwachs, scharfen Putzmitteln und Rechtschaffenheit bildete den Zierholtschen Nestgeruch, der ihn fürderhin begleiten sollte. Wippend prüfte er die Couch. Ein Vergleich mit Ingrids breitem Bett ließ sich nicht vermeiden. Doch der Gedanke, daß sie sich darin jetzt auch nicht wohler fühlen würde als er hier, versöhnte ihn mit seinemSchicksal. Hatte er es nicht selbst so gewollt? Und außerdem: Es sollte ja nur vorübergehend sein.
    Erneutes Tosen entfesselter Wassermassen riß ihn aus seinen Grübeleien. Er betrachtete das Bild über der Couch. Steindruck, Hochformat, ebenholzgerahmt mit riesigem Passepartout. Lukas beugte sich vor. Potz Teuto! Da saß auf frostigem Fels, im bleichen Blondhaar, den spätgeweckten Blick ins aufgewühlte Meer getaucht, ein übermenschlich nordisches Weib; lommeliges Linnen, reich runenverziert, umwallte die Wilde. Heidnisches Pendant zu den Gestalten des Bibelbebilderers Schnorr von Carolsfeld. Edda las Lukas und legte die Dame auf den Schrank.

    Als er mit einem Bücherstapel unterm Kinn die Treppe heraufkam, war die Wohnungstür zu. Mit gegrätschten Beinen ließ er sich in leichte Kniebeuge hinunter und klingelte mit der Nase.
    »Oh, Sie sind es«, sagte ein Mädchen von jugendfrischer Farblosigkeit. Lukas murmelte seinen Namen.
    »Ich bin der neue Mieter, leider habe ich im Moment keine Hand frei, wie Sie sehen.«
    »Angenehm, ich bin Renate Zierholt, die Tochter. Warten Sie, ich helfe Ihnen.«
    »Danke schön.«
    Das gestapelte Wissen unter seinem Kinn und die Dunkelheit im Flur vereitelten weitere Fühlungnahme. Sie öffnete ihm die Zimmertür und entschwand hinter dem Vorhang, der den Repräsentations- vom Haushaltsteil trennte.
    Nach knapp einer Stunde war das Zimmer nicht wiederzuerkennen. Mit sicherem Blick und ein paar mitgebrachten Kleinigkeiten hatte Lukas im Nu wärmende Behaglichkeit gezimmert. Farbdrucke, über der Couch mit Stecknadeln befestigt, gaben durch ihr Querformat dem Raum Weite. Wie gut, daß er seine Schreibtischlampe mitgenommen hatte! Jetzt stand sie auf einer winzigen Wackeligkeit neben der Couch; das Rot des Schirms strahlte breit aus und ließ den

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