Die Verwandlung - Blutsbande 1
Flures befand sich eine große Flügeltür. Sie führte in den Ballsaal, den ich von meinem ersten Besuch kannte, obwohl wir damals durch eine andere Tür eingetreten waren. Der Raum war jetzt als Garage eingerichtet. Auf dem Boden lag Segeltuch, auf dem in zwei Reihen Motorräder standen. Cyrus sah auf sie herab. „Ich habe nie verstanden, warum Leute das Bedürfnis haben, sich selbst irgendwohin zu fahren.“
„Du hast wohl dein Leben lang einen Chauffeur gehabt, oder?“, fragte ich ihn und strich mit der Hand über den verchromten Tank eines Motorrades.
„Nicht ganz. Ich wurde vor sechshundert Jahren geboren, also bevor das Automobil erfunden wurde.“
„Sechshundert …“ Ich musste schlucken. „Also hast du in der Zeit der Ritter und Rüstungen und all dem Zeugs gelebt?“
„Ja, Carrie, und all dem Zeugs.“ Ich glaubte zu sehen, dass er die Augen verdrehte, aber weiter sagte er nichts. Stattdessen führte er mich schnell durch den Raum.
Der Speisesaal war so umgebaut, dass viele Menschen darin Platz fanden. Er erinnerte mich an einen großen Saal in einem mittelalterlichen Ritterfilm. Danach gingen wir in die Küche, in der riesige professionelle Herdanlagen standen. Von der Decke hingen glänzende Töpfe und Pfannen. Die einzige Person in der Küche war der ältere schwarze Butler, der uns interessiert ansah, als wir hereinkamen.
„Wie kannst du dir all das leisten?“, fragte ich Cyrus, während wir die Küche durchquerten.
„Guten Abend, Clarence“, grüßte Cyrus, als habe er die offensichtliche Feindseligkeit des Mannes nicht bemerkt. Dann drehte er sich zu mir um und antwortete: „Vor Jahren habe ich sehr reiche Leute getötet und das Geld gewinnbringend angelegt. Dein Zimmer befindet sich natürlich im Familienflügel.“ Cyrus fuhr fort, als wir die Dienstbotentreppe hinaufstiegen: „Aber erst zeige ich dir die Zimmer der Diener, damit du weißt, wo alles ist.“
Der Bereich für die Diener bestand aus zwei engen Fluren, in denen sich kleine Räume aneinanderreihten. Aus der Halle hörte man einige der Fangs grölen. Irgendwo war eine Tätowierungsnadel in Betrieb, die ein hohes Fiepen von sich gab.
„In einigen Wochen ziehen sie nach Kanada weiter“, flüsterte Cyrus. Er lächelte, aber es schien mir nicht echt zu sein. Wahrscheinlich wollte er nur ein guter Gastgeber sein. Zwischen zusammengepressten Zähnen zischte er hervor: „Ich kann nicht behaupten, dass ich traurig bin, wenn sie weg sind.“
„Warum lässt du sie dann hier wohnen?“, fragte ich, während wir einigen von ihnen auf dem Flur begegneten.
Er zuckte mit den Schultern. „Sie arbeiten gegen die Bewegung, wie ich auch. Wir müssen zusammenhalten. Wenn die Bewegung untergeht, und das wird sie, dann möchte ich darauf vorbereitet sein, eine Führungsposition einzunehmen. Im Moment sorge ich nur für gute Stimmung bei den Fangs.“
Der nächste Flur wurde von Posten bewacht, die mit hölzernen Pflöcken bewaffnet waren. Ich war davon ausgegangen, dass wir sie links liegen lassen würden, wie wir es bei den anderen Angestellten auch getan hatten, aber Cyrus sprach sie an. „Gentlemen, das hier ist Dr. Ames. Ich erlaube ihr jederzeit ungehinderten Zugang zum Vieh. Bitte sorgen Sie dafür, dass es auch die anderen erfahren.“
„Ja, Sir“, antworteten die Wachen synchron und traten zur Seite, um uns durchzulassen.
„Vieh?“ Das Wort gefiel mir nicht.
„Lieblinge, wenn dir das Wort lieber ist. Es sind Menschen, die hier leben, damit meine Gäste und ich etwas zu essen haben.“
Die meisten Räume, an denen wir vorbeikamen, waren verschlossen. Die wenigen Zimmer, deren Türen offen standen, waren unbewohnt. In jedem standen zwei Betten mit einem kleinen Nachtschränkchen zwischen ihnen. Dunkle Rechtecke waren auf der ausgeblichenen Tapete zu sehen, wo vorher wohl Bilder oder Poster gehangen hatten. Offensichtlich waren sie erst kürzlich abgenommen worden.
Eine der Türen ging auf und ein dünnes bleiches Mädchen mit dunklen Augenringen kam heraus. Sie lächelte Cyrus nervös an. Als sie ihn mit „Hallo, Master“, begrüßte, schaute sie mich immer wieder aus den Augenwinkeln an.
„Guten Abend. Amy, nicht wahr?“ Er streckte seinen Arm aus und berührte sie am Kinn, das er zur Seite bog. An ihrem Hals wurden Narben, die von einem Biss herrührten, sichtbar.
„Cami.“ Man konnte ihre Stimme kaum hören, während Cyrus’ Finger sich um ihren mageren Nacken schlossen.
„Oh ja, Cami.
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