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Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Titel: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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verloren und sich aufgegeben, so hat er das Besondere, das Eigentliche verloren, weswegen ihn die Natur als Mensch geschaffen hat. Und niemals kann man so sicher sein als in diesem Falle, daß man es mit etwas Unnotwendigem zu tun habe, mit einer leeren Form, mit etwas, das von der Weltseele schon längst verlassen wurde.«
    Törleß fühlte keinen Widerspruch. Er hörte auch gar nicht mit Aufmerksamkeit zu. Er hatte bisher noch nie Veranlassung zu solchen metaphysischen Gedankengängen gehabt, und hatte auch nie darüber nachgedacht, wieso ein Mensch von Beinebergs Verstande auf derartiges verfallen könne. Die ganze Frage war überhaupt noch nicht in den Horizont seines Lebens getreten.
    Demgemäß gab er sich auch gar keine Mühe, Beinebergs Ausführungen auf ihren Sinn zu prüfen; er hörte nur halb auf sie hin.
    Er verstand bloß nicht, wie man so breit und weit ausholen könne. In ihm zitterte alles, und die Umsicht, mit der Beineberg seine Gedanken weiß Gott wo herholte, erschien ihm lächerlich, unangebracht, machte ihn ungeduldig. Aber Beineberg fuhr gelassen fort: »Mit Reiting jedoch steht die Sache ganz anders. Auch er hat sich durch das, was er getan hat, in meine Hand gegeben, aber sein Schicksal ist mir gewiß nicht so gleichgültig wie das Basinis. Duweißt, seine Mutter hat kein großes Vermögen; wenn er aus dem Institute ausgeschlossen wird, ist es daher für ihn mit allen Plänen zu Ende. Von hier aus kann er es zu etwas bringen, sonst aber dürfte sich wohl wenig Gelegenheit dazu finden. Und Reiting hat mich nie mögen, ... verstehst du?... er hat mich gehaßt,... hat mir früher zu schaden getrachtet, wo er nur konnte, ... ich glaube, er würde sich heute noch freuen, wenn er mich los werden könnte. Siehst du jetzt, was ich aus dem Besitz dieses Geheimnisses alles machen kann? ...«
    Törleß erschrak. Aber so sonderbar, als ob das Schicksal Reitings ihn selbst beträfe. Er blickte erschrocken auf Beineberg. Dieser hatte die Augen bis auf einen kleinen Spalt geschlossen und erschien ihm wie eine unheimliche, große, ruhig in ihrem Netze lauernde Spinne. Seine letzten Worte klangen kalt und deutlich wie die Sätze eines Diktats in Törleß' Ohren.
    Er hatte das Vorangegangene nicht verfolgt, hatte nur gewußt: Beineberg spricht jetzt wieder von seinen Ideen, die doch mit dem Gegebenen gar nichts zu tun haben, ... und nun wußte er auf einmal nicht, wie es gekommen war.
    Das Gewebe, das doch irgendwo draußen im Abstrakten angeknüpft worden war, wie er sich erinnerte, mußte sich mit fabelhafter Geschwindigkeit plötzlich zusammengezogen haben. Denn mit einem Male war es nun konkret, wirklich, lebendig, und ein Kopf zappelte darin ... mit zugeschnürtem Halse.
    Er liebte Reiting durchaus nicht, aber er erinnerte sich jetzt seiner liebenswürdigen, frechen, unbekümmerten Art, mit der er alle Intrigen anfaßte, und Beineberg erschien ihm dagegen schändlich, wie er ruhig und grinsend seine vielarmigen, grauen, abscheulichen Gedankengespinste um jenen zusammenzog.
    Unwillkürlich fuhr ihn Törleß an: »Du darfst es nicht gegen ihn ausnützen.« Es mochte wohl auch sein steter, heimlicher Widerwille gegen Beineberg mit im Spiele gewesen sein.
    Aber Beineberg sagte von selbst, nach kurzem Besinnen: »Wozu auch?! Um ihn wäre wirklich schade. Mir ist er von jetzt an ohnedies ungefährlich, und er ist doch zu viel wert, um ihn über eine solche Dummheit stolpern zu lassen.« Damit war dieser Teil der Angelegenheit erledigt. Aber Beineberg sprach weiter und wandte sich nun wieder Basinis Schicksal zu.
    »Meinst du noch immer, daß wir Basini anzeigen sollen?« Aber Törleß gab keine Antwort. Er wollte Beineberg sprechen hören, dessen Worte klangen ihm wie das Hallen von Schritten auf hohlem, untergrabenem Erdreich, und er wollte diesen Zustand auskosten.
    Beineberg verfolgte seine Gedanken weiter. »Ich denke, wir behaltenihn vorderhand für uns und strafen ihn selbst. Denn bestraft muß er werden – allein schon wegen seiner Anmaßung. Die vom Institute würden ihn höchstens entlassen und seinem Onkel einen langen Brief dazu schreiben; – du weißt ja beiläufig, wie geschäftsmäßig das geht. Eure Exzellenz, Ihr Neffe hat sich vergessen ... irregeleitet ... geben ihn Ihnen zurück ... hoffen, daß es Ihnen gelingen wird ... Weg der Besserung ... einstweilen jedoch unter den anderen unmöglich ... usw. Hat denn so ein Fall ein Interesse oder einen Wert für sie?«
    »Und was für einen Wert

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