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Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Titel: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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erfahren. Sie haben einen hübschen Burschen unter sich gehabt, in den viele von ihnen verliebt waren. Das kennst du ja, denn das kommt alle Jahre vor. Die aber haben damals die Sache zu weit getrieben.«
    »Wieso?«
    »Nun, ... wie ...?! Frag doch nicht so dumm! Und dasselbe tut Reiting mit Basini!«
    Törleß verstand, worum es sich zwischen den beiden handelte, und er fühlte in seiner Kehle ein Würgen, als ob Sand darinnen wäre.
    »Das hätte ich nicht von Reiting gedacht.« Er wußte nichts Besseres zu sagen. Beineberg zuckte die Achseln.
    »Er glaubt uns betrügen zu können.«
    »Ist er verliebt?«
    »Gar keine Spur. So ein Narr ist er nicht. Es unterhält ihn, höchstens reizt es ihn sinnlich.«
    »Und Basini?«
    »Der?... Ist dir nicht aufgefallen, wie frech er in der letzten Zeit geworden ist? Von mir hat er sich kaum mehr etwas sagen lassen. Immer hieß es nur Reiting und wieder Reiting, – als ob der sein persönlicher Schutzheiliger wäre. Es ist besser, hat er sich wahrscheinlich gedacht, von dem einen sich alles gefallen zu lassen als von jedem etwas. Und Reiting wird ihm versprochen haben, ihn zu schützen, wenn er ihm in allem zu Willen ist. Aber sie sollen sich geirrt haben, und ich werde es Basini noch austreiben!«
    »Wie bist du darauf gekommen?«
    »Ich bin ihnen einmal nachgegangen.«
    »Wohin?«
    »Da nebenan auf den Boden. Reiting hatte von mir den Schlüssel zum andern Eingang. Ich bin dann hieher, habe vorsichtig das Loch freigemacht und mich an sie herangeschlichen.«
    In die dünne Zwischenwand, welche die Kammer vom Dachboden trennte, war nämlich ein Durchlaß gebrochen, gerade so breit, daß sich ein menschlicher Körper hindurchzwängen konnte. Er sollte im Falle einer Überraschung als Notausgang dienen und war für gewöhnlich durch eingeschobene Ziegel verschlossen.
    Es war eine lange Pause eingetreten, in der man nur das Aufglimmen des Tabaks vernahm.
    Törleß vermochte nichts zu denken; er sah ... Er sah hinter seinen geschlossenen Augen wie mit einem Schlage ein tolles Wirbeln von Vorgängen, ... Menschen; Menschen in einer grellen Beleuchtung, mit hellen Lichtern und beweglichen, tief eingegrabenen Schatten; Gesichter,... ein Gesicht; ein Lächeln,... einen Augenaufschlag, ... ein Zittern der Haut; er sah Menschen in einer Weise, wie er sie noch nie gesehen, noch nie gefühlt hatte: Aber er sah sie, ohne zu sehen, ohne Vorstellungen, ohne Bilder; so als ob nur seine Seele sie sähe; sie waren so deutlich, daß er von ihrer Eindringlichkeit tausendfach durchbohrt wurde, aber, als ob sie an einer Schwelle Halt machten, die sie nicht überschreiten konnten, wichen sie zurück, sobald er nach Worten suchte, um ihrer Herr zu werden.
    Er mußte weiter fragen. Seine Stimme vibrierte. »Und ... hast du gesehen?«
    »Ja.«
    »Und ... wie war Basini?«
    Aber Beineberg schwieg, und wieder hörte man nur das unruhige Knistern der Zigaretten. Erst lange nachher begann Beineberg wieder zu sprechen.
    »Ich habe mir die Sache hin und her überlegt, und du weißt, daß ich darin ganz besonders denke. Was zunächst Basini anlangt, meine ich, daß es um ihn in keinem Falle schade wäre. Sei es, daß wir ihn jetzt anzeigen oder schlagen, oder ihn selbst rein des Vergnügens halber zu Tode martern würden. Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß so ein Mensch in dem wundervollen Mechanismus der Welt irgend etwas bedeuten soll. Er erscheint mir nur zufällig, außerhalb der Reihe geschaffen zu sein. Das heißt – irgend etwas muß ja auch der bedeuten, aber sicher nur etwas so Unbestimmtes wie irgendein Wurm oder ein Stein am Wege, von dem wir nicht wissen, ob wir an ihm vorübergehen oder ihn zertreten sollen. Und das ist so gut wie nichts. Denn, wenn die Weltseele will, daß einer ihrer Teile erhalten bleibe, so spricht sie sich deutlicher aus. Sie sagt dann nein und schafft einen Widerstand, sie läßt uns an dem Wurm vorübergehen und gibt dem Stein eine so große Härte, daß wir ihn nicht ohne Werkzeug zerschlagen können. Denn bevor wir solches holen, hat sie längst die Widerstände einer Menge kleiner, zäher Bedenken eingeschoben, und überwinden wir diese, so hatte die Sache eben von vorneherein andere Bedeutung.
    Bei einem Menschen legt sie diese Härte in seinen Charakter, in sein Bewußtsein als Mensch, in sein Verantwortlichkeitsgefühl, ein Teil der Weltseele zu sein. Verliert nun ein Mensch dieses Bewußtsein, so verliert er sich selbst. Hat aber ein Mensch sich selbst

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