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Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Titel: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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mechanischer Gleichmäßigkeit schläferte ihn in einen starren, wachen, eiskalten Schlaf, der ihn reglos an seinem Platze festhielt. Unbestimmt lange.
    Erst ein Gedanke weckte Törleß auf wie die leise Berührung einer warmen Hand. Ein anscheinend so selbstverständlicher Gedanke, daß sich Törleß wunderte, nicht schon längst auf ihn verfallen zu sein.
    Ein Gedanke, der gar nichts tat als die eben gemachte Erfahrung registrieren: es kommt immer einfach, unverzerrt, in natürlichen, alltäglichen Proportionen, was von ferne so groß und geheimnisvoll aussieht. So als ob eine unsichtbare Grenze um den Menschen gezogen wäre. Was sich außerhalb vorbereitet und von ferne herannaht, ist wie ein nebliges Meer voll riesenhafter, wechselnder Gestalten; was an ihn herantritt, Handlung wird, an seinem Leben sich stößt, ist klar und klein, von menschlichen Dimensionen und menschlichen Linien. Und zwischen dem Leben, das man lebt, und dem Leben, das man fühlt, ahnt, von ferne sieht, liegt wie ein enges Tor die unsichtbare Grenze, in dem sich die Bilder der Ereignisse zusammendrücken müssen, um in den Menschen einzugehen.
     

Und doch, so sehr dies seiner Erfahrung entsprach, beugte Törleß nachdenklich den Kopf.
    »Ein sonderbarer Gedanke – – – – –« fühlte er.
     
    Endlich lag er in seinem Bett. Er dachte an gar nichts mehr, denn das Denken fiel so schwer und war so fruchtlos. Was er über die Heimlichkeiten seiner Freunde erfahren hatte, zog ihm zwar durch den Sinn, aber so gleichgültig und leblos wie eine Nachricht, die man in einer fremden Zeitung liest.
    Von Basini war nichts mehr zu hoffen. Freilich, sein Problem! – Aber es war so fraglich und er so müde und so zerschlagen. Eine Täuschung vielleicht – das Ganze.
    Nur der Anblick Basinis, seiner nackten, leuchtenden Haut, duftete wie ein Fliederstrauch in das Dämmern der Empfindungen, das dem Schlafe vorausging. Sogar aller moralische Abscheu verlor sich. Schließlich schlief Törleß ein.
     
    Kein Traum zog durch seine Ruhe. Aber eine unendlich angenehme Wärme breitete weiche Teppiche unter seinen Leib. Schließlich wachte er darüber auf. Und beinahe hätte er einen Schrei ausgestoßen. An seinem Bette saß Basini! Und mit rasender Behendigkeit löste dieser im nächsten Augenblicke das Hemd von seinem Leibe, schmiegte sich unter die Decke und preßte seinen nackten, zitternden Leib an Törleß an.
    Kaum hatte sich Törleß in diesem Überfalle zurechtgefunden, als er Basini von sich stieß.
    »Was fällt dir denn ein ...?!«
    Doch Basini bettelte. »Oh, sei nicht wieder so! So wie du ist keiner. Sie verachten mich nicht so wie du; sie tun dies nur scheinbar, damit sie dann desto anders sein können. Aber du? Gerade du ...?! ... Du bist sogar jünger als ich, wenn du auch stärker bist; ... wir sind beide jünger als die anderen; ... du bist nicht so roh und prahlerisch wie sie; ... du bist sanft; ... ich liebe dich ...!«
    »Was – was sagst du? Was soll ich mit dir? Geh – so geh doch weg!« Und Törleß stemmte gequält seinen Arm gegen Basinis Schulter. Aber die heiße Nähe der weichen, fremden Haut verfolgte ihn und umschloß ihn und erstickte ihn. Und in einem fort flüsterte Basini ...: »Doch ... doch ... bitte ... oh, es wäre mir ein Genuß, dir zu dienen.«
     
    Törleß fand keine Antwort. Während Basini sprach, während der Sekunden des Zweifelns und Überlegens, war er wieder wie ein tiefgrünes Meer über seine Sinne gesunken. Nur Basinis bewegliche Worte leuchteten darinnen auf wie das Blinken silberner Fischchen.
    Noch immer hielt er seine Arme gegen Basinis Körper gestemmt. Aber auf ihnen lag es wie eine feuchte, schwere Wärme; ihre Muskeln erschlafften; er vergaß ihrer. ... Nur wenn ihn ein neues der zuckenden Worte traf, wachte er auf, weil er plötzlich fühlte, – wie etwas schrecklich Unfaßbares, – daß eben – wie im Traum – seine Hände Basini näher gezogen hatten.
    Dann wollte er sich aufrütteln, sich zuschreien: Basini betrügt dich; er will dich nur zu sich hinabziehen, damit du ihn nicht mehr verachten kannst. Aber der Schrei erstickte; kein Laut lebte in dem weiten Hause; in allen Gängen schienen die dunklen Fluten des Schweigens unbeweglich zu schlafen.
    Er wollte zu sich selbst zurückfinden: aber wie schwarze Wächter lagen sie vor allen Toren.
    Da suchte Törleß kein Wort mehr. Die Sinnlichkeit, die sich nach und nach aus den einzelnen Augenblicken der Verzweiflung in ihn gestohlen

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