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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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sein junger Gehilfe, und machte ein besorgtes Gesicht.
    »Endlich, Meister, seid Ihr da«, flüsterte er. »Die Frau Imhoff wartet seit einer geschlagenen Stunde.«

    Agnes Imhoff war selbst bei nüchterner Betrachtung eine äußerst anziehende Frau.
    Sie erhob sich anmutig, als er das Barett vom Kopf riss und sich ihr nach einer Verbeugung näherte.
    »Ich hatte noch anderweitig zu tun«, murmelte er entschuldigend, denn um diese Uhrzeit pflegte er längst bei der Arbeit zu sein. Seine Befangenheit ärgerte ihn, aber die Imhoff schien stets diese Wirkung auf ihn zu haben.
    »Magister von Homburg«, sagte sie und lächelte etwas zaghaft, nicht so selbstbewusst, wie er sie sonst kannte, und es kam ihm vor, als ob ihre Augen feucht schimmerten. »Es tut mir leid, dass ich Euch so ganz ohne Ankündigung überfalle.«
    Sie blickte ihm forschend in die Augen, als wollte sie sich vergewissern, ob er noch ihr Freund war, denn seit dem Tod ihres Mannes hatten sie sich nicht mehr gesehen.
    »Es ist wie immer eine Ehre«, sagte er höflich.
    Sie war fast so groß wie er und erlesen gekleidet, wie man es von ihr kannte. Ihr blassgelbes Seidengewand bestand aus einem langen Faltenrock, der die schmale Taille betonte, und bauschigen Ärmeln, unter deren Schlitzen die weißen Spitzen und Fältchen ihres Hemdes hervorlugten. Das dunkle Haar sittsam hochgesteckt, von einer Calotte umfasst, darüber aber ein keckes, mit Pfauenfedern besetztes Barett. Und ihr schulterbedeckender Goller stand vorne offen, so dass sein Blick sich einen peinlichen Augenblick lang in ihrem gut gefüllten Ausschnitt verfing.
    Zum Glück rettete ihn Augustin, indem er seinem Meister Schaube und Kopfbedeckung abnahm.
    »Ich bitte Euch, doch in meiner Stube Platz zu nehmen«, sagte von Homburg, immer noch etwas verlegen, und wies den Weg. Gut, dass jemand daran gedacht hatte, ein Feuer im Kamin zu entzünden. Er wies Augustin an, Erfrischungen zu bringen. Agnes nahm vor seinem alten Eichentisch Platz.
    »Wie kann ich Euch behilflich sein, Frau Imhoff?«, fragte er, nachdem er sich ebenfalls gesetzt und gereizt einen Stapel Akten zur Seite geschoben hatte. Augustin musste mal wieder vergessen haben, sie einzuräumen.
    »Es ist so«, antwortete sie, und ihre Stimme klang etwas zittrig. »Ich habe eine Vorladung erhalten. Zumindest glaube ich, dass es eine ist. Voller lateinischer Worte …«
    Sie nestelte in ihrem Täschchen, das mit einem schmalen Riemen am Gürtel befestigt war, zog ein aufgebrochenes Dokument hervor und reichte es ihm über den Tisch.
    »Ich habe schon gehört«, sagte er, faltete den Bogen auseinander und setzte umständlich seine Lesegläser auf. Er hielt sie mit einer Hand fest, denn sie hatten die dumme Angewohnheit, bei jeder unpassenden Gelegenheit herunterzufallen.
    Er hatte kaum das Schriftstück mit dem Siegel des Kölner Ratsgerichts überflogen, als der junge Augustin auf einem Tablett eine Karaffe Wein und Becher hereinbalancierte. Etwas ungeschickt schenkte er Agnes ein, nicht ohne ihr einen unverhohlen bewundernden Blick zu schenken. Sie schien es nicht zu bemerken und dankte ihm mit ernstem Kopfnicken.
    »Am besten bleibst du hier und machst Notizen«, sagte Mathis. Augustin sah erstaunt auf, denn dies war nicht des Meisters Gepflogenheit, aber aus unerfindlichen Gründen wollte er heute wohl nicht mit seiner Mandantin allein gelassen werden.
    »Also«, von Homburg räusperte sich. »Es handelt sich um eine Klageschrift in Sachen Charman gegen Imhoff.« Er studierte den Inhalt noch einmal genauer. »Eine unbezahlte Lieferung, wie ich sehe.«
    »Nun hat er also doch geklagt«, sagte sie, und die Tränen traten ihr in die Augen. Sie griff erneut in ihr Täschchen und zog ein spitzenbesetztes Tüchlein hervor, mit dem sie sich, sichtlich verlegen über diese Gefühlsregung, die Augen tupfte. »Er hatte mir versprochen, alles gütlich zu regeln.«
    »Ihr habt dies mit dem Kläger persönlich besprochen?« Mathis nahm die Lesegläser ab und blickte sie erstaunt an. Doch sie nickte nur, ohne weitere Erklärung.
    »In welchem Sinne gütlich?«, fragte er dann.
    »Die Ware war verdorben, und Andreas hat sie zurückgeschickt. Deshalb hat er sie auch nicht bezahlt. Er war auf dem Weg gewesen, die Sache mit Charman zu klären. Und dann ist er auf unerfindliche Weise …« Sie ließ den Satz unbeendet.
    »Ja«, sagte Mathis, peinlich berührt. »Mein tiefstes Beileid, übrigens.«
    Agnes starrte stumm auf die Hände in ihrem Schoß, die

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