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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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den Instrumentenkoffer und öffnete ihn.
    Innen war der Kasten mit rotem Samt ausgeschlagen, und Gregorio schien es, als glänzten die beiden Teile des vergoldeten Instruments wie die Arme von C-3PO, dem Roboter aus Krieg der Sterne. Seinen Vater hingegen versetzte der Anblick zurück ins Mittelalter, als Blasinstrumente den Beginn eines Turniers ankündigten. Elena setzte den Zug ins Schallstück ein, zog dann das Mundstück aus einem Innenfach des Instrumentenkoffers und setzte es in die Mundstückröhre.
    »Fertig. Möchte jemand?«
    Vater wie Sohn lehnten mit einem nervösen Lächeln ab, was Elena zu der Bemerkung veranlasste: »Die Leute denken immer, einer Posaune einen Ton zu entlocken, wäre furchtbar schwierig, aber in Wirklichkeit muss man nur ein bisschen schmatzen.«
    Mit einem Ruck entfernte sie das metallene Mundstück, das die Form eines kleinen Kelchs hatte, und führte es an den Mund. Zu Perdomos und Gregorios Überraschung entlockte sie ihm auch so musikalische Klänge. Dann brachte Elena sie zum Lächeln, indem sie einige Male mit den Lippen schmatzte und danach mit dem Mundstück die gleichen Klänge erneut erzeugte.
    »Ohne das Vibrieren der Lippen kommt da gar nichts heraus, nicht ein einziger Ton. Ich setze jetzt das Mundstück wieder ein und blase hinein, ohne zu schmatzen. Ihr werdet sehen, was passiert.«
    Sanft nahm Elena Perdomos Hand und führte sie an den Schallbecher der Posaune. Dann blies sie ins Mundstück, und das Einzige, was zu hören war, war das Geräusch des Luftstroms. Perdomo fand es ungeheuer erotisch, als Elenas feuchte, warme Atemluft auf seine Handfläche traf. Doch er tat nichts, um diesen sinnlichen Augenblick in die Länge zu ziehen. Die Gefahr, dass Gregorio es mitbekam, wenn er versuchte, mit Elena zu flirten, machte ihn allzu nervös.
    »Und was ist das?«, fragte der Junge und versuchte, eine kleine Klappe am Zug zu öffnen.
    »Nicht anfassen!«, rief Elena. Wie von der Tarantel gestochen, zog Gregorio die Hand zurück. »Das ist die Wasserklappe«, erklärte sie lachend. »In regelmäßigen Abständen muss man das Instrument … ähem … reinigen, aber so lange sammelt der Speichel sich dort. Zu deinem Glück ist sie im Augenblick sauber.«
    »Jetzt, wo wir wissen, wie es funktioniert, könntest du doch etwas spielen«, schlug Perdomo vor.
    »Sehr gern, aber ich warne euch, ohne Begleitung ist es nur halb so schön. Mal sehen, ob euch das bekannt vorkommt.«
    Elena bewegte den Zug der Posaune einige Male vor und zurück, um zu sehen, ob er gut eingefettet war. Dann sammelte sie sich kurz und spielte schließlich mit großer Eleganz und sehr gefühlvoll die Melodie von Summertime von George Gershwin. Ihre beiden Zuhörer lauschten andächtig, und als sie endete, applaudierten sie heftig. Elena wiegelte ab. »Das ist Gershwins Verdienst, er war wirklich ein Genie. Wisst ihr, dass diese Melodie, von der mehr als viertausend Versionen auf dem Markt sind, aus nur sechs Noten komponiert ist? Nicht einmal so viele, wie eine Tonleiter hat. Hört zu.«
    Dann spielte sie langsam die sechs einfachen Noten, aus denen der berühmte Song des New Yorker Musikers bestand.
    »Fantastisch!«, rief Perdomo aus. »Wenn ihr mögt, können wir uns die CD anhören, die du Gregorio mitgebracht hast, während wir essen. Danach werfen wir einen kurzen Blick auf Gregorios Geige, aber ich warne dich, sie ist kein schöner Anblick.«

    Perdomo stand auf, um die Fleischbällchen in der Mikrowelle aufzuwärmen. Elena verstaute die Posaune wieder im Koffer und erzählte Gregorio Anekdoten über den Musiker, den sie sehr verehrte.
    »Als Christian Lindberg jung war, mochte er Jazz, aber Posaune kann man nur auf einem Konservatorium lernen, mit klassischem Repertoire, also musste er da durch. Nach zwei Jahren spielte er schon in einem Orchester, aber weißt du, was passiert ist, als sie ihn zur ersten Posaune beförderten? Das Konzert begann, und in den ersten zwanzig Minuten hat er nicht eine einzige Note gespielt. Dann hat er ein bisschen gespielt, und danach hatte er wieder zwanzig Minuten nichts zu tun. Also hat er sich gesagt: ›Das halte ich nicht aus!‹ In der klassischen Musik gibt es einfach keine Posaunensoli.«
    »Spielst du denn Jazz?«
    »Jeden Freitag, in einer Bar namens Blue Note. Aber ich lade dich jetzt nicht ein, mal zu kommen, denn es werden alkoholische Getränke ausgeschenkt, Minderjährige dürfen da nicht rein.«
    Nach einigen Anlaufschwierigkeiten gelang es Elena und

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