Die Violine des Teufels
Gregorio, die CD aus ihrer Verpackung zu befreien, und gleich darauf erklang das Konzert für Posaune von Rimski-Korsakow.
»Essen ist fertig!«, rief Perdomo, in der einen Hand die Schüssel mit den Hackfleischbällchen, in der anderen die Soße.
»Ich muss mal eben ins Bad«, sagte Elena.
»Am Ende des Flurs, links. Nein, warte, benutz lieber meins, im anderen ist der Spülkasten defekt.«
Perdomo führte Elena zum Bad; als er zurück ins Esszimmer kam, nutzte er ihre Abwesenheit, um seinen Sohn nach dessen erstem Eindruck zu fragen.
»Was hältst du von ihr?«
»Nett.«
»Siehst du? Man muss den Leuten eine Chance geben.«
Als sie die Toilettenspülung und dann Elenas Schritte hörten, die sich durch die Diele näherten, wechselten sie hastig das Thema.
»Wie lustig!«, sagte sie, als sie durch die Tür kam. »Du benutzt Hartmann, das gleiche Parfüm wie ich!«
48
P erdomo musste sich den Satz im Stillen wiederholen. Er konnte einfach nicht glauben, was Elena da gerade gesagt hatte. Durch und durch erschüttert von der Vorstellung, die Posaunistin könne die Person sein, die er suchte, sagte er mit schwacher Stimme: »Du benutzt doch nicht Hartmann, du benutzt Cristalle von Chanel. Das war jedenfalls das Parfüm, das du an dem Tag getragen hast, an dem wir uns im Chorsaal begegnet sind, und heute Abend auch. Ich weiß das, weil meine Frau dasselbe Parfüm benutzt hat.«
An Perdomos Stimme und seinem abrupt veränderten Verhalten merkte Elena sofort, dass etwas nicht stimmte. »Was ist denn los? Du siehst ja ganz geknickt aus. Wir reden hier doch nur von Parfüms.«
Perdomo bemerkte, dass seine Hände verschwitzt waren, daher versuchte er, sich zu beruhigen, und stellte sich darauf ein, Elena auszufragen, so unauffällig wie möglich, damit sie nicht merkte, dass sie jetzt im Visier des Kriminalpolizisten Perdomo stand.
»Entschuldige, alles, was mich an meine Frau erinnert, bringt mich ein bisschen aus der Fassung. Wie war das, du benutzt Hartmann?«
»Das ist das Parfüm, dass ich seit ein paar Monaten benutze. Aber im Augenblick probiere ich andere aus, weil Hartmann so schwer zu beschaffen ist. Nur überzeugt hat mich bisher keins.«
»An dem Abend, an dem ich dich kennengelernt habe, hast du es da auch getragen?«
Kokett erwiderte Elena: »Hast du das etwa nicht gemerkt?«
Verdutzt beobachtete Gregorio die beiden vom Esstisch aus. Er begriff nicht, wie sein Vater wegen einer Lappalie einen solchen Aufstand veranstalten konnte.
»Papa, das Essen wird kalt.«
Perdomo beschloss, sich an den Tisch zu setzen und zu essen, um sich nichts anmerken zu lassen, obwohl sein Bauch ihm gerade sagte, er solle diese Frau packen und sofort auf die Polizeiwache bringen, um sie dort in aller Form zu vernehmen.
Elena schien sich allmählich unbehaglich zu fühlen, doch sie setzte sich ebenfalls zum Essen an den Tisch und reichte die Fleischbällchen herum, während Perdomo den Wein entkorkte.
»Wollen wir den ganzen Abend über mein Parfüm reden?«, protestierte sie schließlich, als Perdomo nochmals fragte, welches Parfüm sie am Abend des Mordes an Larrazábal getragen hatte.
»Nein, verzeih, ich bin eine Nervensäge«, entschuldigte sich Perdomo, damit sein Gast nicht womöglich Verdacht schöpfte.
Ein unbehagliches Schweigen entstand, das Elena schließlich brach.
»Ich glaube, an dem Abend, an dem du mich kennengelernt hast, habe ich tatsächlich Hartmann benutzt. Ich hatte es mir von Georgy geliehen – er war es auch, der mich darauf gebracht hatte.«
Diese neuerliche Enthüllung hatte zur Folge, dass Perdomo sich am Wein verschluckte. Nachdem er die Tischdecke mit einer Serviette abgetupft hatte, fragte er: »Du meinst Georgy, den Tubaspieler, den ich am Tatabend im Auditorio kennengelernt habe?«
»Ja, sicher, wen sonst?«
»Und gibt es im Orchester noch mehr Leute, die Hartmann benutzen?«, fragte Perdomo bemüht beiläufig weiter. Doch Elena Calderón war eine Frau mit einer guten Intuition. Sie roch den Braten sofort.
»Alle diese Fragen haben mit dem Mord zu tun, nicht wahr? Habt ihr das Parfüm des Täters identifiziert?«
Perdomo, dem bereits der Kopf schwirrte, hätte am liebsten keinerlei Informationen an Elena weitergegeben – jedenfalls nicht bei diesem Abendessen –, denn ihm war nur allzu bewusst, dass Posaunen und Tuben in Symphonieorchestern benachbart waren. Elena selbst hatte ihm an dem Abend, an dem er sie kennengelernt hatte, gesagt, dass sie und Georgy manchmal
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