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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Augen zu lassen.
    »Daß die sich überhaupt noch hierhertrauen!« murmelte Ivan.
    Der Brigadiere stand in der Mitte der Piazzetta und war sich offensichtlich unschlüssig, wen er ansprechen sollte. Marta Garzone nahm ihm die Entscheidung ab. Sie sagte: »Ihr seid ein paar Stunden zu spät dran. Die Beerdigung ist schon vorbei.«
    »Es war eine bewegende Zeremonie«, sagte Lidia Marcantoni.
    »Selbst ohne euch«, sagte Milena Angiolini.
    »Wie schön«, sagte der Brigadiere. »Ihr habt also Geschmack daran gefunden?«
    »Geschmack?« fragte Franco Marcantoni. Er nippte am Wein.
    »Es war ein trauriger Anlaß«, sagte Lidia tadelnd.
    »Ich persönlich bevorzuge eine gemütliche Partie Briscola«, sagte der Americano, »zusammen mit Freunden, mit denen man sich gut versteht, und bei einem Glas gut gekühlten Weißweins, wie ihn ...«
    »Ich untersuche den Tod von Paolo Garzone«, sagte der Brigadiere förmlich.
    Franco Marcantoni stellte sein Glas ab. Dann nuschelte er: »Ein schrecklicher Unglücksfall!«
    Der Brigadiere nickte betrübt. »Und ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich. Paolo Garzone starb an gleich drei Vipernbissen.«
    »Das ist die Gluthitze«, sagte Fiorella Sgreccia.
    »Die macht sie aggressiv«, sagte Marisa Curzio.
    »Sie beißen wie verrückt«, sagte Ivan.
    »So schnell kannst du gar nicht schauen, wie sie heuer zustoßen«, sagte der alte Curzio.
    »Und nicht nur einmal«, sagte der alte Sgreccia.
    Der Brigadiere kratzte sich an der Wange. »Es sieht so aus, als stammten die Bisse nicht von derselben Schlange. Es sieht sogar so aus, als stammten sie von zwei verschiedenen Vipernarten.«
    »Das ist die Gluthitze«, sagte Fiorella Sgreccia.
    »So einen Vipernsommer habe ich mein Lebtag nicht erlebt«, sagte Lidia Marcantoni.
    »1920«, sagte Costanza Marcantoni. »1920 muß es ähnlich gewesen sein.«
    »Kann sein. Jedenfalls fanden wir heuer unter jedem Stein eine Viper«, sagte Elena Sgreccia.
    »Sogar im Dorf hatten wir welche«, sagte Angelo Sgreccia.
    »Von verschiedenen Arten«, sagte Franco Marcantoni.
    Der Brigadiere machte keinen überzeugten Eindruck. Er schwieg ein paar Sekunden lang. Zwar hatte er damit rechnen können, daß sie zusammenhalten und den Todesfall herunterspielen würden, doch offensichtlich überraschte ihn, daß sich alle gleichermaßen von seinen Fragen angesprochen fühlten. Es bot sich kein einzelner an, den man ernsthaft ins Gebet nehmen konnte. Die Dorfbewohner glichen einem verschlungenen Knäuel sich windender Schlangen, in dem man unmöglich mit sicherem Griff die eine giftige zu fassen bekam.
    Vielleicht beschloß der Brigadiere deshalb, irgend jemanden aus der zuckenden Masse herauszuziehen, von den anderen zu isolieren und genau unter die Lupe zu nehmen. Er fragte: »Wer hat Paolo Garzone ins Krankenhaus gebracht?«
    »Ich.« Angelo Sgreccia meldete sich.
    »Er war tot, als er dort ankam.«
    »Er war schon tot, als wir ihn auf dem Feld gefunden haben«, sagte Angelo.
    »Wo genau?« fragte der Brigadiere.
    »Knapp außerhalb des Dorfs«, sagte der alte Curzio.
    »Der soll antworten.« Der Brigadiere deutete auf Angelo Sgreccia.
    »Er war aber nicht dabei«, sagte der alte Curzio. »Benito und ich machten unseren Abendspaziergang und mußten bei der Bank unterm Kreuz eine kurze Rast einlegen. Wir sind nicht mehr die Jüngsten. Und da lag er, ein paar Meter weiter unten im Feld. ›Um Gottes willen, das ist doch Paolo‹, sage ich zu Benito, und dann haben wir die anderen geholt. War es nicht so, Benito?«
    Der alte Sgreccia schüttelte den Kopf. »Nein, so war es nicht. Du hast gesagt: ›Ist das nicht Paolo?‹«
    »Sage ich doch«, sagte der alte Curzio.
    »Du hast behauptet, daß du gesagt hast: ›Das ist doch Paolo!‹ In Wahrheit hast du aber gesagt: ›Ist das nicht Paolo?‹« sagte der alte Sgreccia.
    »Das ist doch völlig egal«, sagte der alte Curzio.
    »Es ist eine offizielle Untersuchung«, sagte der alte Sgreccia, »und da muß der Brigadiere ...«
    »Da muß sich der Brigadiere fragen, wieso Paolo Garzone nicht rechtzeitig Hilfe gefunden hat«, sagte der Brigadiere.
    »Das haben wir uns schon bei Giorgio Lucarelli gefragt«, sagte Franco Marcantoni.
    »Es wird der gleiche Grund gewesen sein«, sagte Costanza Marcantoni.
    »Die Gluthitze«, sagte Fiorella Sgreccia.
    »Die schwächt den Körper, und wenn einer irgendwo weit draußen ist ...«, sagte Lidia Marcantoni. Sie bekreuzigte sich.
    »Ohne Wasser. Ganz allein«, sagte Elena Sgreccia.
    »So wie

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