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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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sie danach in tiefe Trance versunken, wieder war Rosenduft ihrem Leib entstiegen und wieder hatte ihm die Nadelprobe bewiesen, daß dieser Anfall echt war.
    Ein Klopfen ließ ihn hochschrecken. Es war eine Wartefrau, die eine Schüssel mit Brei und etwas Milch brachte. Galisius machte ihr ein Zeichen, Rebecca zu wecken. Doch noch war ihre Trance nicht beendet. Müde winkte Galisius ab, aus den Augenwinkeln sah er, daß die Nonne ein Kreuz schlug – eine Geste der Ehrfurcht, nicht des Entsetzens.
    Der Gedanke erschreckte ihn. Was, wenn noch mehr fromme Weiber sich zusammenfanden in ihrer Bewunderung für die seltsame Begine? Was, wenn Unberufene zu hören bekamen, welche Teufel sie heimsuchten? Es blieb nur ein Weg: Er mußte sie alle austreiben, bevor ein Schreiber sie zu Protokoll nehmen konnte.
    Wieder klopfte es, der Greve trat ein. »Nun?« fragte er munter. »Was habt Ihr in dieser Nacht an der Seite dieser Frau erlebt? Machte sie Geständnisse?«
    Galisius starrte zum Gitterfenster hinauf. »Sie machte Geständnisse, ja«, antwortete er tonlos.
    »Sehr gut«, der Greve rieb sich die Hände, »dann wollen wir sie heute dem ersten Foltergang unterziehen, damit sie ordnungsgemäß bekennt. Vielleicht haben wir Glück, und sie unterschreibt noch heute das Protokoll, dann wird sie in wenigen Tagen, spätestens nach Ostern an den blauen Stein geführt und zu Melaten verbrannt. Seid Ihr bereit? Soll ich den Schreiber in die Folterkammer rufen, die Schöffen ...«
    Galisius drehte jäh den Kopf. »Nur das nicht!« sagte er voll Entsetzen. »Keine Protokolle, keine Akten. Der Fall muß so schnell wie möglich abgeschlossen werden.«
    »Weshalb das?«
    »Weil jedes Wort von ihr die vornehmsten Bürger Kölns brandmarkt. Ihr habt nicht gehört, wen sie alles beschuldigte. Der Teppich ist nichts dagegen. Sie sprach vom Bürgermeister, vom Erzbischof.«
    Der Greve runzelte die Stirn. »Sie ist irrwitzig!«
    Galisius schüttelte energisch den Kopf. »Nie und nimmer. Besessen ist sie, sage ich. Wahrhaft besessen.«
    »Also wirklich eine Hexe?«
    »Nein, Ihr mißversteht mich.«
    »Euch? Der gestern noch vehement nach einem Verfahren wegen Magie und Teufelsbuhlschaft verlangte?«
    Galisius nahm einen letzten Schluck Wein, wieder holte ihn der Duft von Rosen ein.
    Er schluckte. »Ich bin im Exorzismus geübt, wie Ihr wißt. Ich weiß die Geister zu unterscheiden. In der Seele dieser Frau führt das Böse einen Kampf gegen das Allerheiligste.«
    Verstohlen seufzte der Greve auf. »Was also gedenkt Ihr zu tun?«
    »Würdet Ihr mir die Frau überlassen?«
    Der Greve bemühte sich, einen inneren Kampf vorzutäuschen. »Nun ja«, meinte er zögernd, »eigentlich ist ein ordentliches Verfahren unumgänglich. Denkt an die Sache mit dem Diakon ...«
    »Der war gewiß des Teufels. Vielleicht war er der Verführer. Vielleicht tötete Gott ihn durch die Hand dieser Frau.«
    »Wenn es dafür nur Beweise gäbe!«
    »Es gibt sie. Wir müssen sie nur finden.« Entschlossen richtete Galisius sich auf. »Ans Werk.«
    »Und was sagen wir den Schöffen, weshalb das Verfahren ausgesetzt wird?«
    Galisius zuckte hilflos mit den Schultern. In diesem Moment regte sich die Frau im Stroh. Rebecca schlug die Augen auf und lächelte in Richtung des Exorzisten.
    »Ehrwürdiger, ich danke Euch, in dieser Nacht war es mir, als führen tausend Teufel aus meiner Brust. Laßt uns mit der Befragung fortfahren, damit ich alles sagen kann, was ich sah und fühlte. Denkt nur«, sie wandte sich mit strahlendem Blick an den Greven, »auch Ihr erschient mir.« Wie erschrocken runzelte sie dann die Stirn. »Nun, da ich es sage, kommen die Bilder zurück. Ich sah Euch auf dem Neumarkt bei einem Feuer stehen, der Bürgermeister war bei Euch, Ihr tanztet ...«
    »Genug!« Der Greve brachte sie mit Blick auf den Gesandten des Erzbischofs zum Schweigen. »Kommt, Galisius, wir haben noch vieles zu besprechen. Der Schöffen wegen.«
    8
    M it ausdrucksloser Miene lauschte Arndt van Geldern den Erklärungen seiner schönen, blonden Tochter. Sie saßen in seinem Kontor, vor dem Fenster sang eine Spottdrossel ihr aufreizendes Lied.
    Kein Wort glaubte ihr van Geldern. Zum ersten Mal sah er die ganze Falschheit in ihrem Blick, hörte den lügnerischen Ton ihrer Stimme mit aller Deutlichkeit. Nur deshalb hatte sie ihn so lange täuschen können, weil er ihr zuvor nie zugehört, weil er ganz auf ihre süße Erscheinung vertraut hatte, die ihm die höchsten Hoffnungen auf ihre

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