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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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über die Gefangenschaft hatte er sich von den lästigen Kleidungsstücken befreit, die ihm den Atem abzuschnüren drohten.
    »Habt Ihr uns diesen vermaledeiten Streich gespielt?« herrschte er nun die blonde Frau an.
    Juliana hob trotzig das Kinn. »Einen Streich nennt Ihr das? Ich habe Euch lediglich vor einer gefährlichen Dummheit bewahrt. Wollte dieses alte Weib Euch nicht zu einer Flucht mit meiner Schwester überreden?«
    Sie deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die zitternde Mertgin, die in sich zusammensank.
    »Was erdreistet Ihr Euch«, wütete der Freiherr weiter.
    Juliana gab ihrer Stimme einen weichen Ton. »Lieber Freiherr, Ihr habt recht, mich dreist zu nennen. Aber wartet, bis ich Euch alles erzählt habe.« Sie warf ihm einen flehenden Blick zu, und der Junker zauderte. »Ich handelte aus lauter Liebe zu Euch, lieber Fritjof.«
    Der Mann prallte zurück und fand seinen gewöhnlichen, leicht erstaunten Gesichtsausdruck wieder.
    »Als ich am Abend zu einem letzten Gebet in die Kapelle wollte, wurde ich unfreiwillig Zeuge Eures Gesprächs. Als Mertgin vom Kelterhaus bei der Severinstraße sprach, war ich auf das höchste alarmiert. Wißt Ihr denn nicht, daß man dort meine Schwester schon einmal aufgriff?«
    Sie machte eine Pause, nichts als das verzweifelte Schluchzen Mertgins füllte die Stille im dunklen Gang zwischen Kapelle und Katharinas ehemaligem Schlafgemach.
    Die Augen des Junkers waren hervorgetreten. »Aufgegriffen?« wiederholte er.
    Juliana nickte und ließ einen imaginären Schmerz ihre Züge durchfahren. »Ja. Sie und den Rest einer großen Wiedertäufergemeinde. Im vorigen Sommer war es.«
    »Ihr lügt«, brach es aus Mertgin hervor, »ich war ja dabei.«
    »Um so schlimmer«, unterbrach Juliana sie kalt, »vielleicht bist ja du es gewesen, die meine Schwester zur Ketzerei verführte.«
    Mertgin schwankte und suchte nach Halt, die Anschuldigung verschlug ihr die Sprache.
    »Ketzerei?« stammelte der Freiherr. Wo war er da nur hineingeraten? Weiber, Schlangen!
    Juliana schenkte ihm zur rechten Zeit einen demütigen Blick. »Nur darum versperrte ich die Tür. Ich eilte sofort hinaus, wollte auf die Severinstraße. Doch ich fürchte, ich war zu spät. Eben sah ich einen ganzen Trupp Reiter, Nacht- und Kettenwächter in Richtung von Sankt Severin reiten. Über ihr Ziel habe ich keinen Zweifel. Noch in diesem Moment, so fürchte ich, wird man Columba aufgreifen.«
    »Allmächtiger!« stieß der Junker hervor.
    Mertgin ertrug die schändlichen Reden Julianas nicht länger, sie spuckte aus und rannte an ihr vorbei auf die Treppe zu.
    »Das ganze Haus wird sie noch wecken«, bemerkte Juliana ungerührt und wandte sich wieder dem Junker zu. »Glaubt Ihr nun endlich an meine tiefe Liebe, werter Fritjof? Vom ersten Augenblick da ich Euch sah, wußte ich, daß wir einander bestimmt sind. Könnt Ihr noch zweifeln, nach dem, was ich heute nacht für Euch tat?«
    Der Flame riß die Augenbrauen hoch und versuchte vergeblich, seine Gedanken zu ordnen. Juliana ließ sich an seine Brust sinken und schlang ihre Arme um seinen kurzen Hals. Er spürte ihren warmen Atem an seiner nackten, rosigen Brust und atmete selber den Jasminduft ihres blonden Haares, das in Strähnen unter ihrer Haube hervorschaute. Schon einmal hatte er sich an diesem langen Abend in die Rolle des Helden und Frauenretters geträumt, nun fiel ihm diese schöne Rolle ganz ohne sein Zutun zu. Gerührt blickte er auf die wohlig seufzende Frau hinab. Wie zahm sie war. Er zögerte noch, dann liefen unvermutet die hübschen Jagdhunde aus Brühl wieder durch seine Gedanken, und er ermannte sich zu einem sanften Kuß auf das Samthäubchen.
    »Van Ypern!« unterbrach ihn eine zornige Stimme. »Juliana!« fuhr sie fort. Beide wandten sich wie ertappt dem Kaufherrn zu.
    Arndt van Geldern stand mit einem Nachtlicht da und kämpfte gegen den messerscharf stechenden Schmerz, den seine Blasensteine durch seinen Körper jagten.
    6
    L azarus umklammerte den regungslosen Leib Columbas. Tränen liefen über seine Wangen, er vermochte nicht zu sprechen. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Betroffen standen Don Seraph und Tringin um ihn herum.
    »Wer ist das?« fragte der Feldhauptmann leise. Doch bevor Tringin antworten konnte, verbot er ihr das Wort. »Still. Ich höre Schritte, Pferdehufe.« Mit den Ohren eines geübten Waffengängers erkannte er solche Geräusche, lange bevor weniger geschulte Menschen sie wahrnahmen.
    Tringins Herz setzte

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