Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
aus. Jetzt vernahm auch sie ein leichtes Trappeln und das ferne, leise Klirren von Waffen.
»Steh auf, Lazarus!« befahl der Hauptmann. »Komm schon, hier sind wir nicht sicher. Ich Tor hatte gedacht, euch eine besonders sichere Unterkunft zu zeigen. Ich konnte nicht ahnen, daß halb Köln dieses elende Kelterhaus zu besuchen scheint.« Don Seraph packte Lazarus beim Arm und wollte ihn nach oben zerren.
»Laß mich«, wehrte sich der junge Mann und umschlang Columba noch fester, »ich kann sie nicht alleine lassen.«
Die Schritte waren nun deutlicher zu hören. Don Seraph vermutete sie in Höhe der zur Straße hin gelegenen Mauer.
»Ich sehe ein Licht«, flüsterte nahe beim Gartentor ein Kettenwächter dem Nachtwächter zu, der den Trupp anführte. Jetzt machte er halt und spähte zum Kelterhaus hinüber. »Du hast recht. Verfluchtes Ketzerpack. So kurz vor Morgengrauen halten sie also ihre Konventikel.«
»Woher hast du davon gewußt?« fragte halb bewundernd, halb verdutzt der Kettenwächter.
»Man hört so dies und das, wenn man nachts durch die Gassen streift«, erklärte der Nachtwächter großspurig.
»Wird einen hübschen Anteil an den Geldbußen geben«, lobte der andere.
»Geldbußen?« schnaubte der Nachtwächter. »Wenn die damit mal davonkommen. Los, laßt uns das Haus umstellen.«
»Halt, da sehe ich einen Schatten!«
Die Männer, fünf an der Zahl, spähten angestrengt ins Dunkel. Tatsächlich, wieder ein Schatten. Huschende Gestalten, eine ganz unförmig und langsam. »Der trägt den Teufel huckepack«, scherzte ein Kettenwächter grimmig. Die anderen bekreuzigten sich.
»Seht nur, das Haus. Das Licht wird immer größer!«
»Los, bevor uns der letzte entwischt!« schrie der Nachtwächter, und sie stürmten die Rebengassen entlang auf das Kelterhaus zu. Einer blieb zurück, um die Vordertür zu bewachen, während der Rest durch die Hintertür eindrang. Mit wildem Geschrei und erhobenen Stöcken und Schwertern stürzten sie in den Kelterraum. Rauch schlug ihnen entgegen, sie husteten, rissen ihre Umhänge hoch, um ihr Gesicht zu schützen. Flammen schössen durch die Brettertür, die zur Gerätekammer führte, suchten ihren Weg durch das Bodenstroh, sprangen knisternd auf trockene Fässer, leckten an den Stützbalken empor.
Doch der Nachtwächter war ein gottesfürchtiger, mutiger Mann. Mit einem Tritt öffnete er die Brettertür und sah im mächtigen Schein des hier wütenden Brandes den leblosen Körper einer Frau, ein Messer steckte ihr bis zum Heft im Unterleib. Schön ist sie einmal gewesen, dachte der Nachtwächter kurz, denn ihr ganzer Leib schien zu leuchten. Die Flammen bekamen sie jetzt zu packen, umzüngelten ihre Haare, steckten sie in Brand. Im nächsten Moment war sie eine Fackel aus Fleisch, ekel war der Geruch, gierig das Feuer. Krachend fuhr ein Dachbalken nieder.
»Zurück!« schrie der Nachtwächter. »Zurück, oder wir sind des Todes.«
7
F ahl bohrte sich das erste Licht der Dämmerung durch den vergitterten Fensterdurchbruch. Stumm, wie benommen betrachtete Galisius das marmorweiße Antlitz der schlafenden Frau. So ruhig waren ihre Züge, so friedlich, nichts zeugte von den Ungeheuerlichkeiten, die er in dieser Nacht hatte erleben müssen.
Mit tausend verschiedenen Zungen hatte der Teufel zu ihm gesprochen. Mit dem lüsternen Gurren einer Dirne, mit dem dröhnenden Baß eines fröhlichen Zechers, im giftig sägenden Ton einer boshaften Alten, mit dem gezierten Plänkeln des Höflings, mit der ehrfurchtgebietenden Stimme des Erzbischofs und – ihn schüttelte es bei der Erinnerung – mit einer leicht schnarrenden Stimme, die er als seine eigene erkannt hatte. Noch einmal nahm er einen Schluck Wein, obwohl er wußte, daß er seine Seele nicht befrieden konnte. Nie zuvor waren ihm, dem geübten Exorzisten, ähnlich viele Dämonen entgegengefahren.
Hatte Rebecca nicht von Anfang an gesagt, sie wisse, ganz Köln sei in Sünde verstrickt? War demzufolge, was er in dieser Nacht gehört hatte, die Wahrheit? Ganz Köln? Bis hinauf in die vornehmsten Familien, ja bis hinauf zum Erzbischof. Und nicht zuletzt er selber hatte als Satansanhänger aus dieser Frau gesprochen.
Als die ersten Worte in seiner Stimme erklangen, hatte er die Kerkerwächter hinausgeschickt. Mit Weihwasser, Kreuz und Gebet war er mutig dem Dämon entgegengetreten. Er hatte nicht gewankt, er war nicht gewichen, bis Rebecca endlich die Augen geöffnet und mit ihm ein Gebet gesprochen hatte. Wieder war
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