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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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geholfen, und es hätte den Standpunkt des Dichters verdunkelt.
    Bruder Paul würde es besser gelingen, wenn er die Sache allein unternähme. Wenn er sich einschleichen könnte …
    Nein, das wäre unaufrichtig. Das Ziel rechtfertigte nicht die Mittel. Jesus selbst würde eine Rettung durch fragwürdige Mittel nicht gutheißen. Wenn er es nicht auf rechtem Wege schaffen könnte, würde es überhaupt nicht gehen. Daher …
    Er würde sich also an die Spitze wenden, an Satan selbst, wenn es sein mußte – und ihn um Erlaubnis fragen. Es handelte sich schließlich um eine besondere Situation.
    Du bist wahnsinnig! rief eine Stimme in seinem Inneren. War das sein Gewissen – oder sein diabolisches Selbst? Der Satan wird dich schnappen und selber in die Hölle befördern!
    Hmm … ja. Er müßte also ganz vorsichtig vorgehen. Aber den Versuch mußte er wagen. Er konzentrierte sich. „Herr derHölle! Prinz der Finsternis! Ich bitte um Gehör …“
    Und um ihn her manifestierte sich eine feurige Sphäre. Ein Licht tauchte auf wie ein strahlender Fluß, der sich einen gewundenen Weg dahinschlängelte und leuchtende Funken ausstob, die wie Rubine glühten. Wenn dies der Styx war – oder vielmehr der Acheron –, dann war die Hölle ein viel schönerer Ort, als er ihn sich vorgestellt hatte.
    Vielleicht war es auch die falsche Phantasie gewesen. Er war der Propaganda der anderen Seite gefolgt und hatte sich die Hölle als häßlich vorgestellt – ohne Zweifel erzählte man den armen Seelen in der Hölle, der Himmel sei häßlich. Schwarz ist Weiß und Weiß ist Schwarz. Was aber den Punkt nicht traf. Jetzt mußte er lediglich das höllische Hauptquartier suchen.
    Unter seinem Blick veränderte der Fluß seine Richtung und formte sich zu einer Spirale, einer wirbelnden Säule, deren Zentrum so grell wie die Sonne leuchtete, so daß er nicht direkt hineinblicken konnte. Die einzelnen Schlaufen wurden zu Mustern, und jeder Wirbel ähnelte einer Blume – aber diese Blumen waren ja geflügelte Wesen! Satans Geisterarmee? Sonderbar, selbst als er sie als solche erkannte, blieben sie doch für ihn wunderschön.
    Eine löste sich heraus und flog auf ihn zu. Es war ein weiblicher Geist, schön über alle Maßen, wie er es in der Hölle niemals für möglich gehalten hätte. Das Wesen schien absolut rein und keusch. „Paul“, rief es, als es neben ihm landete. Wie er bemerkte, stand er auf einem Berggipfel und sah sich dem rosigen Schimmer von Gestalten gegenüber, die wie ein Wirbelsturm über den Himmel fegten, und aus diesem Himmelsbildnis war sie entsprungen.
    Er kannte sie: Natürlich war es Amaranth, die immerwährende Verführung. Natürlich würde sie auch in der Hölle auftauchen! Doch ihr Gesicht erstrahlte in reinem Licht, und sie war auf besondere Weise schön, eher wie ein Engel denn wie ein …
    „Wo sind wir?“ fragte er unvermittelt. „Wer bist du?“
    Sie lächelte anmutig. „Das ist der Emphyreanus, der zehnte Himmel … und ich bin Maria!“
    „Zehnte was?“ fragte er ungläubig. „Und was für eine Maria?“
    „Der zehnte Himmel des Paradieses“, antwortete sie mit sanftem Lächeln. „Maria, die Mutter Jesu.“
    Irgend etwas war falsch gelaufen. „Ich … dachte … ich sei in der Hölle!“
    Sie sah ihn geduldig und erstaunt zugleich an. „Du stehst vor dem Hof Gottes … und verwechselst ihn mit der Hölle?“
    „Präzession“, murmelte er. Dann versuchte er, sich neu zu orientieren. „Ich wollte Satan aufsuchen, um bei ihm … wegen einer Bitte vorstellig zu werden. Ich habe … mit dem Himmel nichts zu tun. Ich muß durch die … falsche Tür hineingelangt sein.“
    „Kann dir nicht der Herr des Himmels ebensogut helfen?“ fragte Maria. Sie sah auf unheimliche Weise vertraut aus, aber nicht wie die Gestalt, die sie eigentlich war. Vielleicht hatte sie irgend jemand nach einem Bildnis gestaltet.
    Bruder Paul dachte nach. „Äh … ich wollte Gott nicht damit belästigen … nicht dieses Mal.“ Er befand sich in dieser Animation, um herauszufinden, ob es wirklich einen Gott von Tarot gab – warum zögerte er nun, da er die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch bekommen konnte? Weil er sich unvorbereitet fühlte (wer war wohl jemals für diese Begegnung richtig vorbereitet?) oder weil er fürchtete, hinter dieser unirdischen Strahlung im Zentrum der Lichtrosette läge eine Antwort, wie jene, die er in dem strahlenden Gral gefunden hatte? Er war sich lediglich sicher, nicht mit Gott

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