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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Satans kolossale Genitale hinein! Und stieg wieder auf – in die Hölle.
    Es wurde kälter. Als er in einer offenen Kammer wieder auftauchte, befand er sich etwa in Brusthöhe des riesigen Satans und in einem zugefrorenen See. Ironischer weise war Dantes Inferno in Eis eingeschlossen.
    Bruder Paul zitterte nicht nur wegen der Kälte. Er begann, über den See zu gehen. Das Eis war so kalt, daß es nicht einmal mehr glatt war; es hätte ebensogut Felsen sein können. Er blieb stehen und sah sich um – und sah zum ersten Mal eine richtige Perspektive des Satans. Riesige ausgebreitete Fledermausflügel und drei Gesichter – eines weiß, das andere rot und das dritte schwarz. Das schwarze Gesicht blickte Bruder Paul direkt an. Langsam zwinkerte das eine Auge.
    Das war keine Statue! Das war Satan persönlich!
    In diesem Augenblick konnte Bruder Paul nur eines denken: Wenn nun Satan genau in dem Augenblick eine Blähung gehabt hätte, als Bruder Paul durch den Bauch zog? Es hätte ihn direkt in den siebten Himmel geblasen!
    Bruder Paul drehte sich um und rannte los. Er wurde nicht verfolgt. Warum auch? Der einzige Fluchtweg aus der Hölle war der Weg, den er gekommen war – und dort würde Satan stehen und die Öffnung verschließen.
    Am Rande des Sees entdeckte er Körper. Sie waren eingefroren und starrten ihn, die Gesichter nach oben gewandt, an. Aber ganz bewußtlos waren sie noch nicht. Das waren die Verräter an ihren Wohltätern.
    Bruder Paul eilte weiter und überließ dem Kalkulator die Berechnungen. Wahrscheinlich würde sich Satan nicht zum Narren halten lassen, doch solange Bruder Paul frei war, würde er auch handeln. Vielleicht war dies seine eigene Hölle: Die Berechnungen für jede einzelne Sektion würden verfälscht, so daß er sie immer und immer wieder neu anstellen müßte – die absolute Hölle.
    Um den Rand des Kraters, in dem sich der See befand, standen Riesen – nicht so große wie der dreigesichtige (warum nicht doppelgesichtig?), aber etwa dreimal so groß wie ein normaler Mensch. Jeder trug einen zwei Meter langen Bart, der die haarige Brust bedeckte. Daher konnte man nur schwer sagen, wo die Brust anfing und der Bart endete.
    Bruder Paul näherte sich dem ersten. „Ich bin hier mit einem Forschungsauftrag“, sagte er und zeigte seinen Taschenrechner. Er war sich nicht sicher, ob der Riese ihn hören oder sehen konnte. „Wenn Sie mir bitte zum achten Kreis weiterhelfen würden …“
    Zu seiner Überraschung bückte sich der Riese und streckte eine Hand aus. Bruder Paul kletterte hinauf und wurde hurtig auf die Spitze des Felsens gesetzt. „Danke“, sagte er – der Riese jedoch kehrte ihm den Rücken zu und ignorierte ihn.
    Er ging weiter, an Leuten vorbei, die Arme, Beine oder gar den Kopf verloren hatten – doch bei Bewußtsein und voller Schmerzen blieben. Würde Lee sich unter ihnen befinden, da er ja die Rolle des Jesus gespielt hatte? Wie lautete die Definition der Falsifikation? Sicher nicht so!
    Wo konnte Lee nur sein? Apollyon hatte recht gehabt. Es gab so viele Kategorien des Bösen in der Hölle, daß er für den Rest seines natürlichen (und sogar seines unsterblichen) Lebens suchen könnte und dennoch den Mann nicht finden würde. Vielleicht war das genau Satans Plan? Bruder Paul mußte clever sein und die Möglichkeiten reduzieren. Fleischliche Sünden? Nein, nicht bei Lee. Geizig? Nein, wahrscheinlich nicht. Zornig? Nun, vielleicht …
    Bruder Paul blieb stehen, weil ihm plötzlich einfiel, was ihm bis zu diesem Augenblick nicht klargeworden war. Er durfte sich weder an Lee noch an Jesus orientieren, sondern an der Kombination von beiden. In welchem Teil der Hölle würde sich dieses Paar wohl aufhalten? Sicher nicht bei den Ketzern, wenn sie auch begriffen hatten, zu was sich die Kirche Jesu entwickelt hatte …
    Plötzlich hatte er es. „Schismatiker!“ rief er aus. „Jene, die sich von der Mutterkirche getrennt haben.“ Das würde auf Lee und auch auf Jesus zutreffen – denn Lee war ein Mormone, gewiß eine schismatische Sekte, und Jesus selber hatte die Kirche, die in seinem Namen folterte und sogar tötete, nicht mehr ohne Vorbehalte akzeptieren können.
    Die Schismatiker befanden sich hier im achten Kreis, zusammen mit den Verführern, Zauberern, Dieben, Heuchlern, Lügnern, schlechten Ratgebern und anderen Betrügern. Bruder Paul stimmte mit Dantes Klassifikation nicht überein, mußte sich aber innerhalb des Rahmens bewegen, der ihm vorgegeben war.

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