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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Schließlich hatten die Römer Jesus zusammen mit zwei Dieben gekreuzigt. In Rom, in der Hölle …
    Er gelangte in das Gebiet der Schismatiker und suchte nach dem Gesicht Lee/Jesu. Hier schien es Morgen zu sein – die Zeit war überall in der Hölle anders –, und eine ganze Reihe von Seelen erhoben sich aus dem dumpfen Schlummer auf Felsen und hartem Boden. Sie schienen um einen bestimmten Stein herum Schlange zu stehen. Gab es etwa Frühstück?
    Warum sollte irgend jemand in der Hölle schlafen oder essen? Das waren doch alles Geister! Nun, weder die Religion noch die Literatur hatten jemals das Bedürfnis verspürt, logisch zu denken!
    Bruder Paul ging an der Reihe entlang. Sein Rechner tanzte fröhlich durch die Zahlenreihen. Die Männer waren nackt, so daß er keine Kennzeichen hatte, welcher Sekte sie angehörten. Er fragte sich, wo wohl die Frauen waren. Gehörten zu den von Dante beargwöhnten Sekten etwa keine Frauen? Für seine Zeit war Dante ein recht offener Geist, aber das vierzehnte Jahrhundert war in Europa keine sonderlich liberale Zeit gewesen.
    Er umkreiste den Felsen aus der anderen Richtung, als die Geisterreihe eingeschlagen hatte. Am anderen Ende stieß er auf eine Bewegung …
    Gott, nein! schrie er inwendig. Aber es traf zu. Dort stand ein Dämon mit einem riesigen Schwert, der auf die vorbeiziehenden Gestalten einhieb. Nicht einfach so, sondern mit bösartiger Präzision. Bei dem einen hieb er die Ohren und die Nase ab, bei dem nächsten öffnete er die Brust, und den nächsten entleibte er mit einem gewaltigen Hieb vom Hals bis zum Schritt.
    Ohne Widerstand duldeten die Seelen diese Qualen, versuchten weder auszuweichen, noch beklagten sie sich. Sie keuchten vor Schmerz, klammerten sich aneinander und stolperten blutend weiter. Einem hingen die Eingeweide aus der Bauchwunde – doch er bewegte sich noch.
    Bruder Paul trat auf ihn zu, um ihn aufzufangen, denn der Mann sah vertraut aus. „Herr, lassen Sie mich Ihnen helfen!“ Doch er war sich nicht sicher, was er angesichts dieses Entsetzens tun konnte.
    „Es gibt keine Hilfe“, erwiderte der Mann. „Das ist eine ewige Strafe. Hilf dem, der nach mir kommt – er ist neu hier und wurde noch nicht geschlagen.“
    „Wer bist du?“ fragte Bruder Paul und erkannte nun den Darsteller: Therion.
    „Ich bin Mohammed, Gründer des moslemischen Schismas.“
    „Mohammed! Aber du bist nicht einmal ein Christ! Was suchst du in einer christlichen Hölle?“
    Der Mann lächelte verzerrt und vergaß für einen Augenblick die Schmerzen. „Du weißt es vielleicht. Ich vielleicht auch. Aber Allah scheint darüber eine andere Meinung zu haben.“ Er hielt inne, um einen Teil der Eingeweide hineinzustopfen. „Natürlich ist Dante selbst in der moslemischen Hölle, wie es einem Ungläubigen auch zukommt. Vielleicht …“
    „Paul!“
    Bruder Paul wirbelte bei diesem Ruf herum. „Jesus!“
    Es war ein entsetzlicher Anblick. Der Dämon hatte ihn in Form eines Kreuzes geschlagen und Lungen, Herz, Leber und einen Teil einer Niere bloßgelegt. „Was tust du hier, Paul? Ich dachte, ich hätte dich gerettet?“
    Bruder Paul schüttelte sich beim Anblick dieser grauenhaften Wunden, und aus dem Schock wurde bodenlose Wut. „Niemand kann mich verschonen außer ich selbst! Ich bin nicht der Sünder, für den du mich hältst – und wenn ich es bin, dann büße ich für meine Sünden. Niemand kann mir das abnehmen!“
    Jesus verstummte. „Vielleicht kann ich vermitteln“, schlug Mohammed vor. „Ich habe an eurem Streit kein direktes Interesse.“
    „Wer bist du?“ fragte Jesus.
    „Ich bin Mohammed, der Prophet Allahs.“
    „Ich glaube, ich kenne dich nicht.“
    Mohammed lächelte – ein etwas schauderhafter Anblick, da er immer noch sein Gedärm festhielt. „Natürlich nicht, Prophet, ich kam sechshundert Jahre nach dir.“
    „Prophet? Das verstehe ich nicht …“
    „Ich nenne dich so, weil ich dich als solchen ansehe. Es gibt in der Geschichte der Menschen viele Propheten, und du warst … ein großer. Aber die letztendliche Prophezeiung stammt von mir.“
    „Nun, vielleicht wechseln wir das Thema“, schlug Bruder Paul vor.
    „Nein, dieser Mann interessiert mich“, entgegnete Jesus.
    „Es gibt nichts Besseres als eine anständige philosophische Diskussion, um sich von den körperlichen Problemen abzulenken. Bitte erzähle mir von dir, Prophet Mohammed!“
    Bruder Paul verstummte. Was diese Männer im Augenblick am meisten brauchten, war wohl

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