Die Visionen von Tarot
denn falsch an der profanen Liebe, Ma’am?“ fragte Therion. Er war offensichtlich der geborene Aufhetzer, wie es wohl auch passend war für ein Kind des Satans. Bruder Paul wünschte sich, wenn er auch grundsätzlich an den Meinungen anderer interessiert war, daß er den Mund hielte. Er kannte die Zeugen Jehovas von der Erde und hielt sie für ehrenwerte und aufrechte Menschen, die ihn stark an die frühen Christen erinnerten. Er hatte auch ein paar von den Schriften von Mary Baker Eddy, der Begründerin der Christian Science, gelesen und war von der sensiblen Art ihrer Bemerkungen beeindruckt gewesen. In jedem Fall hielt Bruder Paul die Verächtlichmachung für kein geeignetes Instrument der religiösen Opposition; bei religiösen wie auch bei anderen Debatten waren Fakten und wohl informierte Meinungen die richtige Munition.
„Wer hat das Wort?“ frage ein junger Mann in das Gebrabbel der Einwände hinein.
„Du, Quäker!“ schnappte Runford.
„Dann erlaubt mir, euch zu erzählen, wie ich dieses Problem sehe“, begann der Quäker. „Als George Fox im Jahre 1643 noch ein junger Mann von neunzehn Jahren war, begab er sich zu einer Messe, um Geschäfte zu betreiben, und traf seinen Vetter, einen Religionslehrer – was wir heute vielleicht einen Ministranten nennen würden – in Begleitung eines weiteren Ministranten. Sie fragten George, ob er einen Krug Bier mit ihnen trinken wolle, und da er durstig war und die beiden gern mochte, die sich auch auf den Wegen des Herrn befanden, stimmte er zu. Als sie jeder einen Krug Bier getrunken hatten, begannen sich die beiden Ministranten gegenseitig zuzuprosten, riefen nach mehr und machten unter sich aus, daß er, der er nicht trank, für die beiden anderen mit bezahlen sollte. George Fox war bekümmert, daß Leute, die die Religion zu ihrem Beruf gemacht hatten, so betrügen konnten und sich um die Wette auf Kosten eines Zurückhaltenden betranken, wenn dies auch vielleicht zuzeiten Brauch gewesen sein mochte. Verstört legte er ein paar Taler auf den Tisch und sagte: ‚Wenn dem so ist, dann werde ich euch verlassen.’ In jener Nacht schlief er nicht und bat Gott um eine Antwort, und Gott befahl ihm, das bisherige Leben zu verlassen und als ein Fremder für jedermann zu leben. Er tat desgleichen, hartnäckig, wenn ihn auch der Satan in Versuchung führte, und nach einiger Zeit gründete er die Gesellschaft der Freunde, die man auch die Quäker nennt, weil man von ihnen sagt, sie zitterten {2} vor dem Herrn. Aber unser Leitprinzip ist nicht das Zittern, sondern eher das Wissen, welches in jeder Person das innere Licht ist, das ihn befähigt, mit Gott in direkten Kontakt zu treten. Daher braucht er keinen Priester oder Pfarrer oder andere Mittelsmänner, die seinen Privatglauben fördern, und auch kein Ritual oder Messen. Gott ist allezeit bei uns – wir müssen nur stumm unsere Aufmerksamkeit nach innen lenken.
Der junge Mann hielt inne und sah Bruder Paul an. „Nun will ich dir, Freund, keine Vorlesung halten und auch keine Bemerkungen über dein Privatleben anstellen. Ich möchte dich lediglich fragen, ob die Wahrheit wahrscheinlicher aus einer Animation kommt als aus einer Flasche.“
Bruder Paul, der von der leisen Beredsamkeit des Quäkers beeindruckt war, wußte keine direkte Antwort. Vielleicht war dieses Animationsprojekt von Anfang an nicht gut gewesen. Der Quäker hatte recht direkt die Animationen zum Alkohol in Beziehung gesetzt, vielleicht auch zu allen anderen Drogen, mit denen die Erscheinungen irgendwie in einem Zusammenhang stehen mochten. Wenn der göttliche Funke in jeder Person flackerte, warum sollte man ihn dann in einer Animation suchen müssen?
„Ich würde darauf antworten wollen, Freund“, sagte eine Frau.
„Sprich, Universalistin, und sei gehört“, sagte der Quäker.
„Danke, Freund. Ich kenne eine Anekdote über den Mann, der ein Eckpfeiler eures Glaubens war, John Murray. Durch den Tod seiner schönen Frau war er schon in jungen Jahren, noch ehe er dreißig war, bis an den Rand der Verzweiflung getrieben. Unsicher über ihren persönlichen Glauben, weil er das Wesen Gottes nur immer in anderen Perspektiven sah, suchte John den einzigen Trost in der Einsamkeit. Er machte sich im Jahre 1770 auf nach Amerika. Der Kapitän wollte in New York landen, doch widrige Winde trieben sie in eine kleine Bucht an der Küste Jerseys. John übertrug man eine Schaluppe, auf die man soviel der Fracht lud, daß das größere Schiff bei
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