Die Visionen von Tarot
„Was Bruder Paul euch erzählt hat ist wahr. Aber ich möchte an einigen Stellen noch etwas hinzufügen. Es war ein Spiel, und wir haben darin Rollen gespielt. Aber die anderen haben es weder kontrolliert noch etwas Substantielles hinzugefügt. Das Spiel wurde durch den Willen einer einzigen Person geleitet, und wir nahmen die von dieser Person diktierten Rollen an. Diese Person war Bruder Paul. Ich glaube, ein Phänomen namens Aura ist für die Kontrolle verantwortlich …“
„Vertrag!“ rief jemand aus der Menge.
„Ich spreche nicht über Religion“, sagte Lee stirnrunzelnd zu dem Unterbrecher. „Ich rede von einer praktischen psychischen Kraft, die …“
„Das ist das Kernstück von einem Dutzend Religionen!“ protestierte jemand anderes.
„Dann kann ich nichts mehr sagen“, sagte Lee resigniert. Er sah sich um. „Wer möchte etwas beitragen?“
„Ja“, rief eine Frau. Es war die temperamentvolle kleine Jeannette, die Bewerberin um Siltz’ Sohn.
„Ich übergebe an dich, Scientologistin“, sagte Lee galant.
„Ich bin dafür, den Vertrag außer Kraft zu setzen“, rief Jeannette. „Bruder Paul hat nichts erreicht, weil man ihm nicht erlaubt hat, die Wahrheit zu erfahren. Er hat nur das höfliche Spielchen gesehen, das wir für ihn aufführen, indem wir so tun, als sei alles in bester Ordnung. Daher hat er in der Animation statt Gott auch nur ein Spiel gefunden. Laßt uns sehen, wie wir wirklich sind – eine sich bekriegende Horde von religiösen Fanatikern!“
Es gab einen Aufschrei des Protestes, doch Jeannette ließ sich nicht unterkriegen. „Ich bin dafür, den Vertrag außer Kraft zu setzen!“ wiederholte sie. „Stimmt jemand mit mir?“
Nun herrschte Schweigen. „Sie hat das Rederecht, bis ihr Vorschlag entweder unterstützt oder abgewehrt wird“, murmelte Lee in Bruder Pauls Ohr. „Sie kann diese Versammlung wirklich in den Griff bekommen, weil sie sich nicht darum kümmert, was die Leute über sie denken.“
„Was ist denn daran falsch?“ fragte Bruder Paul. „Ich finde, sie hat recht.“
„Dann bräche das Chaos aus“, sagte Lee, und hinter ihnen murmelten Therion und Amaranth zustimmend.
„Verdammt. Ich verdiene eine Stimme zu meinem Vorschlag!“ schrie Jeannette. „Wir können uns doch nicht selbst zum Scheitern verurteilen. Gebt mir Unterstützung!“
„Ich unterstütze es“, sagte schließlich ein Mann. Alle Köpfe wandten sich ihm zu. Allgemein schnappte man verdutzt nach Luft. Der Unterstützer war Pfarrer Siltz.
Jeannette starrte ihn an. „Kommunist, du scherzt.“
„Ich habe keinen Humor“, antwortete Siltz steif.
„Ich hätte niemals gedacht, diesen Tag zu erleben!“ bemerkte Therion. „Das alte Krokodil unterstützt die schärfste Konkurrentin um die Gunst seines Sohnes.“
„Ich denke, die Rivalität ist überwunden“, sagte Bruder Paul. „Im Grunde seines Herzens ist der Pfarrer Siltz ein Humanist; das Wohlergehen des Menschen ist ihm wichtiger als eine bestimmte Vorstellung von Gott. Jeannette würde seinem Sohn eine gute Frau sein, und das merkt er allmählich. Sie muß sich nur noch beweisen.“
„Aber das ist eine wahnwitzige Art, dies zu tun“, murmelte Therion.
Jeannette zögerte, aber dann festigte sich ihre Miene. „Ich übergebe an den Kommunistenpfarrer für das Plädoyer.“
„Jetzt führt er die Debatte und Abstimmung weiter“, sagte Lee. „Siltz ist ein guter Organisator; er wird rasch damit fertig werden.“
„Ich unterstütze den Vorschlag der Scientologistin, weil ich glaube, er bietet Vorteile“, begann Siltz. „Ich hatte Gelegenheit, mit unserem Gast von der Erde zu sprechen, und halte ihn für einen vernünftigen und aufrichtigen Menschen. Ich bin sicher, im Reich der Religion verhält er sich ebenso; wir kennen den Ruf seines Ordens. Unser Besucher mußte scheitern, weil wir uns ihm versagt haben. Es ist nun zu spät, diesen Fehler zu korrigieren – aber aus dem gleichen Grund tut es keinen Schaden mehr, wenn wir uns ihm ehrlich zu erkennen geben. Ich höre keinen Widerspruch – daher führe ich die Abstimmung ohne Debatte durch.“
„Bei den Hörnern des Himmels!“ fluchte Therion. „Er unterstützt sie tatsächlich. Aber mehr wird sie von ihm auch nie bekommen. Die Stimme ja, aber nicht den Sohn!“
Die Dorfbewohner waren ähnlich verdutzt und erhoben keine Einwände. „Diejenigen, die für diesen Vorschlag sind, mögen es bitte sagen“, verkündete Siltz.
Es gab einen leisen Chor der
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