Die Visionen von Tarot
Steine und Geröll auf. Und als es abschmolz, ließ es diesen Haufen zurück, den wir hier sehen. Direkt unterhalb floß der Fluß aus dem Schmelzwasser, und den Fluß sehen wir heute noch. Wir stehen hier direkt auf einer eiszeitlichen Endmoräne.“ Er wußte, sie interessierten die Bäume, der Hang und der Pfad sowie die Brombeeren am Rande mehr als alle Theorie. Doch oft war er überrascht, was sie doch von allem behielt, und er hoffte, einige dieser geologischen Informationen würden bei ihr hängenbleiben. Wie sehr doch der Lehrer, zu dem er geworden war, von dem Studenten von einst profitierte. (Das mit der Moräne hätte auch noch in seine Akte gehört …)
Auf dem Rückweg hob Paul ein Papier auf mit einem Artikel über das College. „Es gibt nur zwei Regeln“, stand darin: „Keine Haustiere, und jeder arbeitet hart.“ Haha! Auch die Heuchelei existierte immer noch. Aber solange sie nicht versuchten, Studenten durch entsprechenden Druck hinauszuwerfen …
Nach dem Abendessen ging Carolyn hinauf in ihr Zimmer, während Paul noch auf dem Campus blieb, um mit verschiedenen Leuten zu sprechen. Das Mädchen kannte sich nun hier aus, und daher machte er sich um sie keine Sorgen. Schließlich mußte sie auf dem Weg zum Schlafgebäude noch die Enten füttern. Sie hatte sorgfältig alle Essensreste für sie aufgehoben. Er gab ihr den Schlüssel. „Aber schließ mich nicht aus.“
Als er spät zu ihrem Raum zurückkehrte, fand er die Tür verschlossen vor und mit einem Zettel daran. „Pater Paul! Carolyn konnte sie nicht finden und ist bei mir.“ Darunter stand der Name einer Frau und die Bezeichnung eines anderen Wohnheims.
Ach! Er hatte sein kleines Mädchen nicht aufregen wollen. Manchmal reagierte sie leicht panisch und war grundsätzlich nicht gern allein. Er machte sich auf den Weg zu dem angegebenen Wohnheim.
„Oh ja“, sagte der Junge am Eingang. „Sie waren vor einem Augenblick noch hier. Ich bringe Sie zu dem Zimmer.“ Er brachte ihn durch den Flur.
Das Zimmer war leer. „Ich glaube, sie sind in den anderen Schlafsaal gegangen“, meinte ein Mädchen. „Das kleine Mädchen hat geweint …“
Geweint … „Danke“, sagte Bruder Paul. Er wunderte sich nicht mehr über diese gemischtgeschlechtlichen Wohnheime. Männer und Frauen gingen frei miteinander um, auch die unverheirateten. Paul bedauerte, daß es zu seiner Zeit noch nicht so gewesen war. Das College hatte also in der Zwischenzeit zugegeben, daß er von Anbeginn an recht gehabt hatte. Vielleicht war es auch seine Initiative gewesen, die sie ermutigt hatte, diesen Weg zu beschreiten. Zumindest teilweise mußten sie sich bewußt gewesen sein, daß sie gegen die intelligentesten und einflußreichsten Studenten ankämpften und nicht gegen die Versager oder Querköpfe. Wenn das College nur noch die Studenten aufnähme, die sich restriktiven oder illegalen Vorschriften beugten, wie hätte dann wohl seine Zukunft ausgesehen?
Aber würde Paul seine unschuldige Tochter auf ein solches College mit dieser sorglosen Haltung gegenüber dem erzieherischen Aspekt und den offenen Wohnheimen schicken? Das würde er in der Tat tun, wenn sie es wollte und er es sich finanziell erlauben konnte. Für diese Art von Freiheit hatte er gekämpft – die Freiheit zu lernen, das wirkliche Leben zu meistern –, und er glaubte immer noch daran. Das Normenkontrollkomitee hatte damals die Schlacht gewonnen, aber den Krieg verloren, und er war sehr froh darüber.
Er kehrte zu seinem Schlaf räum zurück – und da saß sie. „Daddy!“ rief sie unter Tränen. „Ich hatte gedacht, du seist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen!“
Weil sie ihn nicht gefunden hatte! Die hyperaktive Phantasie hatte ihr so sehr zugesetzt. „Ich war aber doch im Zentrum, wo du mich zuletzt gesehen hast.“
„Ich hatte versucht, dort anzurufen, aber man sagte mir, du seist schon fort.“
Das war ja was! Hatte überhaupt jemand nachgesehen? Aber zu seinen Zeiten war das gleiche schon einmal passiert. Paul selbst hatte einer Besucherfamilie unwissend sehr viel Unbehagen bereitet, weil ein Telefonanruf für ein Mädchen gekommen war und er nicht zu dem Wohnheim dieses Mädchens hatte hinübergehen können (um vielleicht wieder ausgeschlossen zu werden!). Es war auch unmöglich, sie von der Eingangshalle aus herunterzurufen. Das hatte er dem Anrufer erklärt. Zu spät erfuhr er, daß das Mädchen auf den Anruf gewartet hatte und sich im Zentrum aufhielt. Dort hatte er nicht
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