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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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ein sensibles, hyperaktives Kind, und sie brauchte ständig seine unterstützende Gegenwart und nicht die grimmigen Befehle von ständig etwas verbietenden Elternfiguren, eher liebevolle Hilfe, und das war ein Teil davon. Er hatte ihr alle Bücher aus dem Zyklus Zauberer von Oz und eine vollständige Fassung der Bibel in Geschichtenform vorgelesen und begann gerade mit einer unzensierten Neuübersetzung der Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Folgen würden die Werke von Lewis Carroll und Don Quichote.
    Manche hielten dies nicht für die geeignete Lektüre für ein Kind dieses Alters, aber Carolyn war für ihr Alter ungewöhnlich weit. Paul erklärte ihr alles sehr sorgfältig, und beide hatten sie an diesen Lesestunden viel Spaß. Es waren auch alles gute Bücher und einander ähnlicher, als manche Menschen glauben mochten.
    „Natürlich, meine Süße.“ In seinem Koffer befand sich das Buch, das er eigens für diesen Zweck eingepackt hatte: ein altes Märchen über einen Drachen, einer Steinstatue, die zum Leben erwacht und ein kleines Mädchen mit auf die Reise nimmt. Für diese Lesestunden schätzte er die normalen Romane nicht: Alles, was sie interessierte, trug märchenhaften Charakter, und das war schon so, seit sie zwei Jahre alt war und sich von den Kinderreimen zu emanzipieren begann. Paul hatte gedacht, die Drachengeschichte sei eine nette Ergänzung zu der neuen Erfahrung mit dem Flugzeug und nähme ihr vielleicht etwaige Ängste. Aber Carolyn hatte den Flug genossen, und die Lesestunde gedieh an diesem Abend nicht bis zu der Stelle, wo der Drachenflug begann. Aber die Geschichte war interessant.
    Danach legte sich Carolyn auf ihr Bett und las das Buch, das sie sich selbst mitgebracht hatte, während Paul das seine las. In ihrer Familie wurde viel gelesen. Paul fand, daß Bücher die vielseitigsten, erzieherischsten und unterhaltendsten Medien waren, die der Mensch überhaupt kannte.
    Das Lesen machte Paul jedoch schläfrig. Es entspannte seine Gedanken, die sonst dazu neigten, noch diesen oder jenen Verlauf zu nehmen, was den Schlaf fernhielt. Er hatte kaum zu lesen begonnen, als Carolyn in ihrem Nachthemdchen herüberschlich, ihm das Buch aus der Hand nahm, ihm einen Gutenachtkuß gab und das Licht ausschaltete, weil er schon eingenickt war. Er hörte ihre kleinen Füße noch im Dunkeln über den Boden tapsen, ganz schnell, damit sie nicht auf ein Ungeheuer trat, und er versank. Kümmerte er sich um sie oder sie sich um ihn? Es spielte keine Rolle.
    Paul erwachte in der Morgendämmerung. Es war zu früh für das Frühstück, und er wollte Carolyn nicht wecken. Leise zog er sich an und machte einen Spaziergang über den Campus. Das Gebäude war übrigens ein gemischtes Wohnheim mit Küchen und Waschräumen. Derartige Wohnheime hatten zu Pauls Zeiten nicht existiert, und es hatte auch keine Anzeichen dafür gegeben, daß sich die Institution in diese Richtung weiterentwickeln würde. Sicher hätte das Normenkontrollkomitee Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt (und sämtliche Studenten ausgeschlossen), um derartige Tendenzen abzuwehren. Was war nur geschehen? Paul hatte die Mitglieder der Zweiten Truppe gut gekannt; einen konnte man als ‚Dünnbrettbohrer’ bezeichnen, den anderen als ‚mittelalterlichen Moralisten’. Man mußte sie geschickt ausgetrickst haben.
    Nein, er mußte schon fair bleiben: Vielleicht hatte er sie doch nicht gut genug gekannt. Vielleicht hatten sie allmählich akzeptieren gelernt, was sie zu seinen Zeiten noch heftig abgelehnt hatten. Es war immer gefährlich, den Charakter einer Person als starr zu beurteilen; oft tauchten unvermittelt neue Aspekte auf.
    Selbst an diesem Sommertag war der frühe Morgen frisch, und Paul war nicht warm genug angezogen. Er mußte sich bewegen, um nicht zu frieren. Das war gut so, denn er rannte ohnehin gern. Die Gegend war wunderschön. Hinter dem Wohnheim lag ein kleiner See, über den vier Enten schwammen. Im gleichen Moment, wo sie ihn sahen, watschelten sie schon mit lautem Quaken auf ihn zu, in der Hoffnung, gefüttert zu werden. Aber er hatte nichts dabei. Am Ufer lagen ein Kajak und ein Kanu für die Studenten. Dann stieß er auf einen Volleyballplatz. Lehmige Pfade führten in verschiedene Richtungen. Der Wald grenzte alles dicht ab. Hier gab es viele Vögel und bestimmt auch Rotwild und Wildschweine: Die Natur kehrte zurück. Alles wirkte sehr angenehm an dieser Enklave der Erziehung am Rande der Wildnis. Wenn doch der Rest der Welt

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