Linda, H: Winterherzen: Für morgen, für immer
1. KAPITEL
A nson Edwards saß allein in seinem großen, eleganten Büro. Die Fingerspitzen aneinandergelegt, erwog er die Stärke seiner beiden Geschäftsführer und überlegte, wen er am besten nach Houston schicken sollte. Seine eigene Stärke beruhte auf der Fähigkeit, jede Situation schnell und genau einzuschätzen. Doch in diesem Fall wollte er keine spontane Entscheidung fällen.
Sein Instinkt verriet ihm, dass ein offener Übernahmeversuch von Bronsons Metallfirma fehlschlagen würde. Denn Sam Bronson war ein Rätsel – ein Mann, der stets mit verdeckten Karten spielte. Man durfte ihn nicht unterschätzen. Er war schlau genug, um verborgene Vermögenswerte zu besitzen.
Anson musste zunächst einmal herausfinden, worin diese Vermögenswerte bestanden und auf welche Höhe sie sich beliefen, bevor er einen Erfolg versprechenden Versuch unternehmen konnte, die Firma „Bronson Alloys“ unter die Fittiche der Aktiengesellschaft „Spencer-Nyle“ zu nehmen.
Er wusste, dass er die Herrschaft gewinnen konnte, indem er einfach wesentlich mehr bot, als die Firma wert war. Aber das war nicht seine Art. Er trug Verantwortung gegenüber den Aktienhaltern von „Spencer-Nyle“, und er war nicht leichtfertig. Er war bereit, die nötigen Schritte zu unternehmen, aber nicht mehr.
Er spielte mit dem Gedanken, ein Team von Prüfern nach Houston zu schicken. Das würde jedoch Bronson alarmieren und ihn veranlassen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, die sich über Monate hinziehen konnten. Und Anson wollte die Angelegenheit schnell erledigt wissen. Das Beste war ein einziger Mann, ein Mann, dem er in jeder Situation vertrauen konnte.
Er vertraute sowohl Rome Matthews als auch Max Conroy. Aber welcher von beiden war der Geeignetste für diese Aufgabe?
Rome Matthews war sein sorgsam ausgewählter, persönlich geschulter Nachfolger. Er war hart, schlau, zuverlässig und darauf bedacht, stets zu gewinnen. Aber er hatte sich im Laufe der Zeiteinen beträchtlichen Namen erworben. Er war in Geschäftskreisen allzu bekannt, und Houston lag zu nahe bei Dallas, als dass er dort unerkannt bleiben konnte. Allein sein Auftauchen würde die Geschäftswelt alarmieren.
Max Conroy hingegen war weniger bekannt. Die Leute neigten dazu, ihn nicht so ernst wie Rome zu nehmen. Es lag an seinem blendenden Aussehen und der Gutmütigkeit, die er ausstrahlte. Man erwartete von ihm einfach nicht, dass er ein Ziel so hartnäckig verfolgte wie Rome. Aber im Innern war Max Conroy hart wie Stahl. Er besaß eine Rücksichtslosigkeit, die er geschickt verbarg. Seine Gutmütigkeit war nur eine Pose. Diejenigen, die ihn nicht kannten, hielten ihn eher für einen Playboy als für einen Geschäftsmann.
Also musste Max die Aufgabe übernehmen. Er hatte wesentlich größere Chancen, in aller Stille Informationen zu sammeln.
Erneut griff Anson zu einer Akte und blätterte durch das Informationsmaterial über das führende Personal bei „Bronson Alloys“. Über Sam Bronson persönlich hatte er nichts in Erfahrung bringen können. Der Mann war sehr vorsichtig und ein Genie.
Aber eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und Anson war fest entschlossen, Bronsons Schwachstelle zu finden.
Er stieß auf ein Foto von Bronsons Privatsekretärin und stutzte. Bronson schien ihr völlig zu vertrauen, doch es gab keinerlei Hinweise auf eine romantische Beziehung zwischen ihnen. Stirnrunzelnd musterte Anson das Foto. Die Frau war eine hübsche, dunkeläugige Blondine, aber keine große Schönheit. Ein verschlossener Ausdruck lag in ihren Augen. Sie war mit Jeff Halsey, dem Erben einer wohlhabenden Familie aus Houston, verheiratet gewesen, aber sie hatten sich vor fünf Jahren scheiden lassen. Sie war nun einunddreißig und hatte nicht wieder geheiratet. Ihr Name lautete Claire West brook.
Nachdenklich lehnte Anson sich zurück. Würde sie sich von Max’ Charme einfangen lassen? Es blieb abzuwarten. Claire Westbrook konnte sich durchaus als das von ihm gesuchte schwache Glied in Bronsons Kette erweisen.
Claire schlüpfte durch die Doppeltür hinaus und trat an die hüfthohe Mauer, welche die Terrasse vom Blumengarten trennte. Sie stützte die Hände auf den kühlen Stein und starrte blindlings auf den Garten, ohne das Meer von Blüten wahrzunehmen, das durch geschickt verteilte Lampen betont wurde.
Wie hatte Virginia nur Jeff und Helene zu dieser Party einladen können?
Natürlich hatte sie es absichtlich getan, um sich an dem Schock zu weiden, den
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