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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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öffnete und der Dienststellenleiter hinaustrat, einen Mann im Schlepptau, den Nora in unangenehmer Erinnerung behalten hatte. Seine Anwesenheit überraschte sie. Umgekehrt schien das nicht der Fall zu sein.
    »Frau Winter, wenn ich mich recht erinnere? Von der MK5?«
    Dr. Broussier, der inzwischen zur rechten Hand des Innenministers aufgestiegen war und dem man eine von heißer Luft getriebene Karriere in der Innenpolitik voraussagte, begrüßte sie mit einem wachsweichen Händedruck. Nora erwiderte ihn – widerwillig. Broussier hatte ihr und dem Team der Mordkommission bei der Jagd nach dem Drachentöter genannten Prostituiertenmörder vor drei Jahren die Hölle heißgemacht. Immerhin hatte er dann bei der abschließenden Pressekonferenz ein paar lobende Worte für Hartmann und ihren Kollegen Gideon Richter gefunden. Ein unerwartet fairer Zug für einen Mistkerl wie Broussier, wie Nora fand. Dass er sich noch an ihren Namen erinnern konnte, schmeichelte ihr. Obwohl die meisten erfolgreichen Manager und Politiker ein überdurchschnittlich gutes Namengedächtnis besaßen.
    »Seit heute nicht mehr MK5, sondern ZPD.«
    Broussier sah Schreyer überrascht an. »Glückwunsch, Herr Schreyer. Sie gewinnen eine kompetente und … einfühlsame Mitarbeiterin.«
    Der ironische Unterton entging ihr nicht. Broussier lächelte, doch seine Augen blieben kalt wie Eis.
    Nora lächelte ebenso falsch zurück. Sie würde keine neue Front eröffnen, nicht bevor sie ein erstes Gespräch mit ihrem Chef geführt hatte. Broussier rauschte davon, in eine Wolke Aftershave gehüllt, die mit jedem Duftmolekül Männlichkeit ausstrahlen sollte. Nora versuchte, sich daran zu erinnern, ob Broussier bei der Sitzung damals denselben anthrazitfarbenen Anzug getragen hatte.
    »Kaffee?« Schreyers Stimme riss Nora aus ihren Erinnerungen. Sie nahm das Angebot gerne an, die lange Wartezeit hatte sie ermüdet. Er bestellte einen Kaffee bei seiner Sekretärin, die er zwanglos Siggi nannte. Sie gingen in sein Büro, das abgesehen von einem kugelförmigen Kaktus in einem in schreienden Farben selbst bemalten Übertopf keinerlei persönliche Note besaß.
    »Ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Frau Winter?«
    »Danke, alles bestens. Auch wenn Computer und Telefonanschluss meine Arbeit erheblich … erleichtern würden.«
    Schreyer sah sie ungläubig an. »Sie haben noch immer keinen Rechner?« Er griff zum Telefon, ließ sich mit der Technik verbinden und gab ihr eine Kostprobe seiner Autorität, indem er seinen Gesprächspartner zur Schnecke machte und ihm die Zusage abrang, schnellstmöglich einen nagelneuen PC und ein funktionierendes Telefon in Noras Büro zu installieren. Dann verließ er kurz den Raum. Durch die offene Tür hörte Nora, wie er die Sekretärin anwies, Nora übergangsweise ihren Laptop zu leihen. Der Protest wurde ignoriert. Schreyer kehrte zurück; kurz darauf knallte ›Siggi‹ ihren Laptop vor Nora auf den Tisch. Ihre fürsorgliche Miene war einem harten Blick gewichen.
    »Herzlich willkommen im ZPD, Frau Kollegin«, sagte Schreyer. »Sie werden Verständnis dafür haben, dass uns für eine lange Einführung die Zeit fehlt. Tatsächlich bin ich froh, dass wir Verstärkung bekommen haben, denn es wartet bereits eine interessante Aufgabe auf Sie. Eine echte Herausforderung.«
    Nora sah ihren Chef abwartend an.
    Er holte tief Luft. »Was halten Sie von der Resozialisierung?«
    »Ich verstehe die Frage nicht.«
    »Wie schätzen Sie die Resozialisierbarkeit von Tätern mit schweren Delikten ein? Ich rede von Kapitalverbrechen. Mord, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, schwerer Raub.«
    Nora versuchte, sich die Ergebnisse einer amerikanischen Studie zu vergegenwärtigen, die sie vor einigen Monaten in The Lancet gelesen hatte, einem medizinischen Fachjournal, das die Studien diverser Nobelpreisträger veröffentlicht hatte.
    »Die verschiedenen Strömungen der Neurologie und Psychiatrie vertreten da unterschiedliche Standpunkte. Ein Forschungsteam, das mit einem mobilen Kernspintomografen durch die USA gereist ist und die Gehirne mehrerer Dutzend Psychopathen gescannt hat, behauptet, bei diesen Leuten neurologische Gemeinsamkeiten entdeckt zu haben. Veränderte Gehirnregionen im Bereich der Amygdala. Als ob diesen Menschen der Hang zur Gefühlskälte genetisch in die Wiege gelegt worden sei. Aber das Gehirn ist ständigen Veränderungen unterworfen. Die Fachleute sind sich uneinig, ob die Veränderungen Ursache oder Folge des

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