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Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ror Wolf
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Nacktheit, der Rücken, die Beine: nackt, und der Arm, den Sie in der Hand halten ist auch nackt, und die Hand: nackt. Er sei wach geworden, sagte Q, und habe über sich einen Leib gespürt, mit einer gewaltigen feuchten behaarten Öffnung, in die er habe hineinkriechen wollen. Und während ich aufstand, um meinen Zug zu erreichen, sprach er von einem an den Schenkeln herabrinnenden klebrigen Saft. Ich stieg eine Treppe hinab und eine Treppe hinauf. Der Schaffner warf hinter mir die Tür zu und pfiff. Der Zug setzte sich in Bewegung, und als ich aus dem Fenster hinaussah, schneite es, das muß man sich vorstellen, es schneite, ich schlief eine Weile, und als ich aufwachte, schneite es noch immer.
    Am nächsten Tag, Donnerstag, saßen zwei Herren in meinem Abteil. Der Ältere, ein schwerer Mensch, sah auf die Uhr. Der Jüngere war, wie das auf Reisen zuweilen geschieht, diesem Vorgang mit einem gewissen Interesse gefolgt. Der Dampf von Zigarren wehte. Der Zug schoß in den Tunnel hinab. Ein weiblicher Kopf war zu sehen, ein Hut wurde weich geschwungen. Im Hintergrund des Abteils lag eine ganz bleiche Hand auf der Lehne.
    In der Nacht nahm einer der Reisenden etwas aus einer Tasche, aber die Fahrgeräusche und eine unheimliche Mischung aus Befürchtungen und Erwartungen hielten mich davon ab, diesem Mann allzuviel Beachtung zu schenken.

    Vor dem Fenster sah ich die wechselnden Landschaften, ich sah diese leichenhaft aussehenden schmachtend wandelnden Damen in den engen Gängen, die sehnsüchtig in die Ferne hineinschauten beim Schaukeln der Wagen. Die Orte, durch die ich fuhr, waren klein und ohne Bedeutung. Ich hörte Pfiffe und hörte das Klatschen von Türen und sah die langsamen Bewegungen auf den Bahnsteigen: das Kommen, das Gehen und das Verschwinden. Dann hörte ich ein gewaltiges Schnaufen beim Weiterfahren und beim Versinken in der Dunkelheit. Ich notierte alles und gab diesem Abschnitt den Titel: Ein Eisenbahnschicksal oder In der Gesellschaft schlechter Zigarren.
    Die Dunkelheit wuchs, so daß ich die Gegend, durch die ich kam, nicht mehr erkennen konnte. Waren das Berge oder war das das Meer oder der Wald oder was war das? Ich sah keine zerquetschten Automobile, keine zersplitterten Straßenbäume, keine umgekippten Gerüste, nichts blähte sich plötzlich auf, keine Brücke stürzte zusammen, niemand flog angeschnallt durch die Nacht und niemand wurde zermalmt. Die Lautlosigkeit, mit der das geschah, war außergewöhnlich.



Manchmal habe ich Leute am Ufer gesehen, aber in großer Entfernung. Ich konnte auch nicht erkennen, was sie dort machten, vielleicht riefen sie gerade um Hilfe oder sie waren dabei, ein Picnic zu machen oder jemanden zu erschlagen. Ich hatte mir vorgenommen, von jetzt an ein anderes Leben zu führen und tat es. Ich sah Bäume, die vom Wind bewegt wurden, die so merkwürdig bewegt wurden, daß sie aussahen wie etwas ganz anderes als Bäume. Und ich habe Schüsse gehört, Schüsse. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich wollte und was ich dort machen wollte. Ich floß einfach weiter so durch das Land. Manchmal war es sehr spät und manchmal war es schon wieder früh, manchmal hell, manchmal dunkel, es war immer anders. Und wenn man mich fragte: Was werden Sie morgen tun, dann sagte ich: Gar nichts. Wirklich und wahrhaftig gar nichts. Ich wußte nicht, wo ich aussteigen sollte und was danach werden würde. Mir war das auch gleich. Ich sah nur, daß ich dahinfuhr, an allem vorbei.
    Am nächsten Tag ging ich langsam hinaus. Vor dem Bahnhofsgebäude war es ganz leer, die Reisenden waren verschwunden, auch die Gepäckträger, die Taxifahrer, die Zeitungsfrauen, die Kellner, die Wurstverkäufer, nur der Wind sauste vorbei und fegte den Schnee vom Pflaster. In diesem Moment fiel mein Blick auf Q, der seinen Hut aufsetzte. Jetzt konnte ich ihn genau betrachten. Ich rief ihm etwas zu, doch er verstand mich nicht. Das war der geeignete Augenblick, diesen Ort zu verlassen und die Luft rauschend auszublasen.

15



A ls ich wieder in meinem Zimmer saß, beschloß ich, mich eine Zeitlang nicht von der Stelle zu rühren. Ich legte mich hin und notierte alles, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte. Es war schön, auf dem Bett liegend davonzuschaukeln, in die Ferne hinein, in die gewaltigsten Abenteuer hinein, ohne aufzustehen, ohne sich ein einziges Mal zu erheben.
    Eine von ihren Träumen geschüttelte Dame lag neben mir, schlafend und wimmernd und sich plötzlich aufbäumend. Oder sie saß bleich

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