Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
über Land verbunden gewesen war, wo in dieser Jahreszeit noch nicht einmal die geldgierigsten Kaufleute unterwegs waren, machte die Zumutung nur noch größer. Und dass die Reise nach Mähren geführt hatte, wo doch jedermann wusste, dass das Ende der Welt, wenn es nicht schon direkt in Mähren lag, von dort aus zumindest sichtbar war, setzte allem die Krone auf. Die alte Burg beeindruckte ihn kein bisschen. Wenn überhaupt, war er froh, nicht in ihr leben zu müssen.
Aber irgendwie war es schwer gewesen, einer Einladung zu widerstehen, die direkt aus dem Haus des Reichskanzlers gekommen war, geschrieben von der zarten Hand der schönsten Frau Böhmens: Polyxena von Lobkowicz. Ignatz war Ästhet genug, um weibliche Schönheit zu würdigen, und die Frau des Reichskanzlers, auch wenn sie beinahe seine Mutter hätte sein können, besaß davon reichlich. Außerdem schadete es nichts, wenn man Beziehungen hatte zum zweitmächtigsten Mann Böhmens (na gut, zum drittmächtigsten, denn zwischen dem Kaiser und allen anderen gab es immer noch den alten Kardinal Khlesl!). Es schadete vor allem nichts, wenn man einen dieser habgierigen Geldsäcke im Nacken sitzen hatte, der auf der Bezahlung der Schulden bestand. Dabeigab es keinen Zweifel, dass die Forderung ungerechtfertigt war. Hatte er, Ignatz, sich vielleicht darum gerissen, mit dem Trottel das Bordell zu besuchen? Nein, er war aufgefordert worden! Und Ignatz konnte sich deutlich daran erinnern, dass es geheißen hatte, die Rechnung zahle der Gastgeber.
Natürlich war ihm klar gewesen, dass er die Bekanntschaft mit dem Pfeffersack nicht seinem natürlichen Charme zu verdanken hatte, sondern dem Umstand, dass sein Onkel, Graf Jaroslav, einer der königlichen Statthalter war. Aber das störte Ignatz nicht weiter. Ein Mann von seinem Geschmack und seinem Lebensstil kam mit der Apanage, die sein Onkel dem früh verwaisten Ignatz zu zahlen pflegte, bei Weitem nicht aus. Wenn einem nichts anderes übrig blieb, als die fehlenden Summen in der jährlichen Bilanz mit Einladungen, Banketten und den damit erkauften positiven Bemerkungen und Einflüsterungen in das königlich-statthalterische Ohr zu überbrücken, dann war es am besten, man erfreute sich daran in vollen Zügen. Da des Onkels Ohr für Ignatz, den Sohn seines Bruders, extrem empfänglich war, blieben die Einladungen nicht aus. Jemand anderer als Ignatz hätte sich vielleicht gefragt, ob die enge Beziehung zwischen Neffe und Onkel daher rührte, dass Ignatz eine merkwürdige physiognomische Ähnlichkeit mit Graf Jaroslav aufwies, obwohl Jaroslav und sein Bruder sich nicht im Mindesten ähnlich gesehen hatten. Aber Ignatz hatte beschlossen, auch daraus das Beste zu machen und das Ergebnis zu genießen.
Jedenfalls – die Bitte des Kaufmanns, ihn in das Bordell zu begleiten … Zuerst hatte Ignatz geargwöhnt, dass sein Gastgeber ihn nur als Türöffner missbrauchen wollte, denn das Haus bediente in aller Regel ausschließlich Klerus und Adel und hielt sich etwas darauf zugute. Doch Ignatz’ neuer Bekannter war mit der gleichen Überschwänglichkeit empfangen worden wie ein Prälat. Ignatz, dessen Finanzkraft nur zu äußerst seltenen Besuchen in diesem Etablissement reichte,war fest entschlossen gewesen, das Glück der Stunde zu nutzen. Nach kurzer Zeit hatte er auch ein zartes Wesen erblickt, mit dem er sich zwecks näherer Bekanntschaft hatte zurückziehen wollen. Leider war die Situation daraufhin etwas unübersichtlich geworden, und es hatte viel zerbrochenes Mobiliar und blutige Nasen gegeben, bis man ihn, Ignatz, unter dem umgestürzten Badezuber hervorgezogen und als den Urheber des Dramas identifiziert hatte. Er hätte das Etablissement verlassen sollen, anstatt unter dem Zuber in Deckung zu gehen, aber zunächst hatte das Verstecken wie die bessere Alternative zu einer Flucht durch zwei Dutzend aufeinander einprügelnde Bordellbesucher und Rausschmeißer ausgesehen. Hinterher war man immer klüger, was im besonderen Maß galt, wenn man – hinterher – feststellte, dass das zarte Wesen gar nicht zum käuflichen Repertoire des Bordells gehört hatte, sondern der jüngste Sohn eines reichen Handelshauses aus Pressburg war, der seine erste Geschäftsreise nach Prag in jeder Beziehung zu nutzen versucht hatte. Wie auch immer, Mobiliar, Fensterscheiben, Geschirr, einige Knochen und ein Fass sündteuren Tokajers waren zu Bruch gegangen, und das hässliche Wort »Schadenersatz« war zu hören gewesen. Ignatz’
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