Die Wächter Edens
nur für einen Moment. Dann übermannte sie erneut die Angst und sie blickte sich panisch nach einem Fluchtweg um.
Sie entdeckte das zerbrochene Fenster am anderen Ende der Dachgeschosswohnung. »Wir sind über dem kirchlichen Museum«, stellte sie fest.
Nathaniel nickte, während Franck ihnen Kaffee einschenkte und sich auf einem sehr massiv wirkenden Sessel niederließ.
»Wir werden Ihnen nichts tun«, versicherte Franck. »Sie sind hier in Sicherheit.« Sein französischer Akzent wirkte so fehl am Platz, dass Arienne wieder schmunzeln musste.
Nathan berührte sie an der Stirn und seine Hand fühlte sich warm und weich an. Er schloss die Augen und schien sich zu konzentrieren. »Du hast deinen Vater früh verloren«, sagte er schließlich.
Arienne riss erschrocken die Augen auf. »Liest du in meinen Gedanken?«
»Und seitdem siehst du die Wahrheit«, fuhr Nathan ungerührt fort. Dann ließ er sie wieder los, blickte ihr fest in die Augen. »Du warst nicht schockiert, mich zu sehen. Du weißt bloß nicht, wieso du meine wahre Gestalt sehen kannst und andere nicht.«
Sie atmete tief durch. »Ich wurde als Kind zu unzähligen Ärzten geschickt … Immer wieder war ich in Therapie …und niemand wollte mir glauben, dass ich meinen Vater sah. Wie ist das möglich?«
Nathan lächelte. »Seine Liebe zu dir ist so stark, dass er dich dazu bringen konnte, ihn zu sehen. Er wollte dich nicht verlassen.«
»Aber diese Bilder … all die Monster … Warum hat er mir das angetan?«
»Damit du den Menschen den Frieden bringst«, sagte Nathan. »Du bist eine Erleuchtete. Du bist der Schlüssel zu den Toren Edens.«
»Was? Wovon redest du?«
»Ich spreche vom Paradies«, sagte Nathan. »Das Paradies auf Erden.« Er umgriff ihre Hände. »Ich habe unzählige Jahre gewartet und endlich habe ich dich gefunden!«
»Das Paradies …«, flüsterte Arienne.
Nathan nickte euphorisch. »Niemand würde mehr Hunger leiden. Es gäbe keine Gewalt mehr zwischen Menschen. Keinen Mord, keine Lügen, keine Enttäuschungen mehr! Keine Krankheiten, keinen Schmerz. Nur Liebe und Glück. Frieden auf Erden. Ein kompletter Neuanfang für die Menschheit!«
»Das Paradies …«, wiederholte Arienne. Sie runzelte die Stirn. »Aber hat es nicht seinen Grund, dass wir nicht im Paradies leben? Ist es nicht Gottes Wille?«
Nathan schüttelte den Kopf. »Nein, Gott wollte den Menschen das Paradies schenken. Es waren die Menschen, die noch nicht bereit dafür waren.«
»Und was macht dich so sicher, dass wir es jetzt sind?«
»Ich habe dich gefunden«, sagte er. »Das ist ein Zeichen Gottes.«
»Aber wie?«
Nathan tauschte ernste Blicke mit Franck.
*
»Wo ist sie?«, fragte Vincent, als sie wieder im Nest eintrafen.
Shane zuckte mit den Schultern. »Als wir kamen, war die Wohnung verlassen.«
»Aber es gab Spuren eines Kampfes«, fügte Noriko hinzu. »Ein Dämon, so viel ist sicher.«
Alfred stand abseits und betrachtete sie sehr genau. Er verbarg sein Entsetzen über die Nachricht. O nein, die junge Frau wurde angegriffen! Hätte ich sie vielleicht doch lieber hierherbringen sollen? Wäre sie am Ende in Vincents Händen besser aufgehoben?
Vincent schnaubte verächtlich. Es war eine der seltenen menschlichen Verhaltensweisen, die er zuweilen an den Tag legte. Und wie immer verstörte der Anblick des Engels, der die Beherrschung verlor, Alfred zutiefst. »Also ist Nathan bei ihr«, stellte er fest.
»Vermutlich«, pflichtete Shane ihm bei. »Aber was hat er vor?«
»Er will mit ihrer Hilfe Luzifer aus der Hölle befreien«, sagte Vincent bestimmt.
Shane wiegte den Kopf hin und her. »Aber warum dann den Dämon angreifen? Warum lässt er sich nicht einfach von ihm helfen? Immerhin haben sie das gleiche Ziel.«
Vincent überging den Einwurf und wandte sich an Alfred. »Bring den Spross des Lebensbaums zum Altar. Nathaniel wird zu mir kommen.«
Alfred schluckte und zögerte einen Augenblick.
»Tu es!«, schrie Vincent und seine Stimme hallte durch das Kirchengewölbe. Dann wandte er sich wieder an die Paladine. »Und ihr tut, was immer nötig ist, damit diese Frau den Baum nicht erreicht.«
Shane runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht …«
»Du kannst es auch gar nicht wissen!«, fuhr Vincent ihn an. »Ich weiß, was zu tun ist. Du bist ein Mensch, du hast zu glauben.«
Der Hüne schien noch einen Moment unschlüssig, dann nickte er ergeben. »Du kannst dich auf die Paladine verlassen.«
Alfred ging allein die Treppe
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