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Die Wächter Edens

Die Wächter Edens

Titel: Die Wächter Edens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Bellem
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lange Linie über den Nasenrücken. Wieder befeuchtete er den Finger und kreuzte die Linie mit einer weiteren, die knapp oberhalb der Augenbrauen verlief.
    »Was tun Sie …?«
    »Schhh …« Der blonde Mann presste ihm den Zeigefinger auf die Lippen. Sein Gesichtsausdruck schien zu versteinern und er brüllte: »Im Namen des Herrn, zeig dich mir!«
    Er blickte verwirrt zu seinem Peiniger empor, wusste nicht, wie er auf dieses seltsame Schauspiel reagieren sollte, als ihn ein heftiger Schmerz durchzuckte. Sein ganzer Körper schüttelte sich in Krämpfen, als seine Muskeln ihm plötzlich nicht mehr gehorchten.
    Er wollte schreien, wollte sich dagegen wehren – wollte einfach nur, dass es aufhörte, als eine krächzende Stimme sich seiner Kehle entrang: »Du kannst uns nicht alle aufhalten, Engel!«
    Der blonde Jäger verzog keine Miene. »Nein, aber dich werde ich aufhalten.«
    »Die Tore werden geöffnet!«, drang die unwirkliche Stimme weiter aus seiner Kehle. »Der Gefallene bringt das neue Zeitalter!«
    »Du wirst es nicht erleben.« Der Engel packte den Kopf des unter ihm liegenden Mannes mit beiden Händen. »Möge deine Seele Frieden finden.«
    »Was?« Der Mann verstand nicht, was vor sich ging, aber er spürte den heißen Schmerz, als seine Haare plötzlich Feuer fingen.
    Das Letzte, was er sah, waren goldene Flügel, die den Engel wie seidene Bänder umspielten, und ein sanfter Schimmer, der sich friedlich über ihm ausdehnte.
    »Amen.«

Eins
    U m sechs Uhr dreißig schaltete der Radiowecker sich ein und »Open your Eyes« von Alter Bridge riss sie aus ihrem traumlosen Schlaf. Arienne fischte im Dunkeln nach dem kleinen Plastikwürfel und hämmerte auf den Stummschalter. »Ich bin wach«, sagte sie leise. Müde schob sie die Bettdecke von sich und begann sofort zu frösteln. »Ich muss endlich die Heizung reparieren lassen«, stöhnte sie laut und setzte sich aufrecht hin. Von Zeit zu Zeit fiel die Heizung nachts aus, was Anfang Dezember alles andere als lustig war. Aus einem Automatismus heraus griff sie nach dem kleinen Pillenfläschchen auf dem Nachttisch und ließ sich eine blaue Tablette auf die Hand fallen. Sie wusste nicht genau, wie sie ihr half, aber seit sie die Pillen nahm, hatte es endlich aufgehört.
    Wenigstens habe ich mit den Tabletten nicht länger das Gefühl, verrückt zu sein. Sie schluckte die kleine Pille direkt, und das Dragee glitt ohne Beanstandung ihre Speiseröhre hinab. »Auf die Normalität«, sagte sie in abfälligem Ton. Wie normal kann jemand schon sein, der täglich eine Pille gegen Wahnvorstellungen braucht?
    Arienne zog den Rollladen hoch, mehr Frühsport war um diese Uhrzeit einfach nicht drin. Draußen herrschte noch immer finstere Nacht, doch der rege Betrieb auf den Straßen und Bürgersteigen verriet ihr, dass sie nicht die Einzige war, die zu unchristlichen Zeiten zur Arbeit musste.
    Nachrichten schreiben sich nicht von allein , wusste sie und tappte ins Bad. Dort nahm sie den Morgenmantel vomHeizkörper und stellte ernüchtert fest, dass die Heizung wohl so lange ausgefallen sein musste, dass der Mantel mittlerweile wieder kalt war. Dennoch streifte sie das weiche Frottee über und putzte sich die Zähne.
    Als sie den Mund ausspülte, bewahrheitete sich ihre Befürchtung: eiskalt. Zum Glück habe ich schon gestern Abend geduscht , dachte sie und wusch sich tapfer das Gesicht.
    Arienne schlurfte in die Küche und kramte in dem Meer von verschiedenen Geschmacksrichtungen nach einem gefälligen Kaffeepad. »Heute nehme ich … uh, einen Latte macchiato.« Sie ließ sich in einen weichen Lehnsessel fallen und schaltete den Fernseher an. Die Röhre nahm sich einige Sekunden Zeit, ehe sie ansprang und das Bild auf der Mattscheibe flimmerte, weshalb Arienne für einen Moment lediglich auf den Ton angewiesen war.
    » … dem Polizeibericht zufolge ist bei dem Brand in der U-Bahn-Station ein Mann ums Leben gekommen …«, tönte es aus den kleinen Lautsprechern.
    Die Nachricht erregte Ariennes Aufmerksamkeit und sie wartete gespannt auf das Fernsehbild. Die Nachrichtensprecherin trug ihre langen blonden Haare offen und blickte leicht dümmlich in die Kamera. Im Hintergrund war eine Live-Schaltung zur U-Bahn-Station eingeblendet, und Arienne erkannte, dass es nicht weit von ihrer Wohnung entfernt war. Wenn sie mit der Linie 6 fuhr, stieg sie selbst dort aus. Die Station ist ziemlich groß und verwinkelt , dachte sie bei sich, konzentrierte sich dann aber wieder auf den

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