Die Wächter von Jerusalem
wie viele seiner Glaubensbrüder eine besondere Vorliebe für üppige Frauen?
Na warte, Bürschchen!, dachte Cosimo grimmig. Dir werde ich mal auf den Zahn fühlen. Und wenn sich herausstellen sollte, dass du die Wirkung deiner blauen Augen nur ausgenutzt hast, um Anne das Herz zu brechen, dann breche ich dir jeden einzelnen Knochen in deinem Leib, und zwar eigenhändig .
»Willkommen in meinem Haus.« Mit dem strahlendsten Lächeln, zu dem er fähig war, und ausgebreiteten Armen ging er auf den Janitscharen zu. Er umarmte ihn und küsste ihn rechts und links auf die Wange wie einen guten Freund. Der misstrauische Blick, mit dem ihn der junge Mann betrachtete, war unmissverständlich. Er schien an Cosimos Verstand zu zweifeln, und unwillkürlich trat er einen Schritt zurück.
Der erste Pluspunkt für dich, dachte Cosimo. Aber warten wir ab, wie du dich im weiteren Verlauf machst. Die Vorstellung ist noch nicht beendet.
»Leider habt Ihr mir Euren Namen noch nicht genannt«, sagte er so übertrieben fröhlich, dass er sich wunderte, dass Anselmo so ruhig und gelassen blieb, aber wahrscheinlich kannte er ihn gut genug und ahnte bereits, dass er damit eine bestimmte Absicht verfolgte, »obgleich Ihr doch mittlerweile ein derart häufiger und gern gesehener Gast in meinem Hause seid.«
Der Janitschar reagierte nicht auf diese Spitze. Ja, er hatte offenbar nicht einmal gehört, was Cosimo gesagt hatte. Sein Blick war auf einen Punkt hinter Cosimos linker Schulter gerichtet . Seine Gesichtszüge wurden weich, und in seinen Augen glomm plötzlich ein warmer Funke. Es war, als würde sich das Sonnenlicht in kostbar geschliffenen Saphiren brechen. Cosimo wusste, dass Anne hinter ihm stand, und es war nicht schwer zu erraten, dass dieser Blick ihr galt. Aber weshalb hatte er dann Elisabeth so angestarrt? Kurz bevor die entstandene Pause peinliche Ausmaße anzunehmen drohte, schien sich der Janitschar an Cosimos Worte zu erinnern.
»Mein Name ist Rashid«, sagte er und wandte ihm den Blick zu. Es kostete ihn augenscheinlich Überwindung.
»Es freut mich, Rashid. Ich bin Cosimo aus dem Hause der Medici in Florenz. Meinen Sohn Anselmo und Signorina Anne, meine Cousine, brauche ich Euch ja wohl nicht mehr namentlich vorzustellen.« Der Janitschar runzelte kaum merklich die Stirn. Er schien zu überlegen, was Cosimo mit seinen Worten gemeint haben könnte. »Kommt, mein junger Freund«, sagte Cosimo und legte Rashid in einer gewiss unerwartet vertraulichen Geste eine Hand auf den Rücken , um ihn zu einem der Sitzpolster zu führen. Er spürte, wie sich Rashids Muskeln unter der Berührung anspannten. Der junge Mann war misstrauisch geworden, und er begann sich unwohl zu fühlen. Hatte er ein schlechtes Gewissen, oder fürchtete er in das Haus eines Wahnsinnigen geraten zu sein? »Setzt Euch, mein junger Freund. Darf ich Euch Tee anbieten ?«
»Gern, danke«, antwortete Rashid und nahm auf dem bequemen Sitzpolster Platz. Er schien erleichtert über den Abstand zu sein, der jetzt zwischen ihm und Cosimo war, auch wenn es kaum mehr als drei Schritte waren.
Cosimo goss die dampfende dunkelbraune, nach frischer Minze duftende Flüssigkeit in die Gläser.
Eigentlich wäre das Elisabeths Aufgabe, dachte er und reichte zuerst Rashid, dann Anne und zum Schluss Anselmo eines der Gläser. Der Blick, den Anselmo ihm zuwarf, gefiel ihm überhaupt nicht. Seine dunklen Augen funkelten spottlustig , als würde er es kaum erwarten können, in der hier aufgeführten Komödie mitzuspielen. Aber Cosimo schüttelte kaum merklich den Kopf, dann setzte er sich Rashid direkt gegenüber.
»Verzeiht, dass Ihr am Tor warten musstet, Rashid«, sagte er immer noch im selben fröhlichen, überschwänglichen Ton. Er hatte gern Theater gespielt, damals, in seiner Jugendzeit in Florenz. Gemeinsam mit Giacomo hatte er oft auf der Bühne gestanden. Obgleich er zugeben musste, dass Giacomo besser gewesen war als er, viel besser. Unglücklicherweise, wie sich mit der Zeit herausgestellt hatte. Mit seinen Schauspielkünsten hatte er alle getäuscht, selbst seine eigenen Verwandten. Aber das schien mittlerweile hundert Jahre her zu sein. Dabei kommt das der Wahrheit ziemlich nahe, schoss es ihm durch den Kopf. Ein Gedanke, der ihn nicht gerade fröhlich stimmte. »Mein Torwächter nimmt seine Aufgabe sehr genau«, plauderte er weiter. »Mahmud war nicht sicher, ob er Euch trauen durfte. Ihr tragt heute keine Uniform. Das hat ihn wohl ein wenig verwirrt. Aber
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