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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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eingenommen werden, sonst konnte sie sehr krank werden.
    Caillean hatte öfter gesagt, Lhiannons Siechtum sei zum Teil auf die Wirkung dieser Kräuter zurückzuführen. Eilan konnte nicht umhin, sich jetzt zu fragen, wie lange ihr Körper das Gift ertragen würde. Sie mußte lächeln. Es blieb noch genug Zeit, über die Zukunft nachzudenken, wenn sie das Ritual überleben sollte.
    Die Priesterinnen brachten ihr die aus Gold getriebene Schale mit dem Zaubertrank. Sie wußte, daß außer anderen Pflanzen auch Misteln verwendet worden waren. Sie hatte öfter zusammen mit Miellyn die heiligen Pflanzen gesammelt - und auch Pilze mit ganz besonderen Eigenschaften. Die Menschen wagten nie, diese Pilze zu benutzen, weil sie als heilig und als giftig galten. Essen konnte man sie bestimmt nicht. Die Priesterinnen jedoch wußten, daß diese Pilze kein gewöhnliches Gift enthielten, sondern in sehr kleinen Mengen das innere Sehen bewirkten, die Hellsichtigkeit, in der auch Eilan ausgebildet worden war.
    Eilan hatte oft genug mitangesehen, wie Lhiannon die Schale an die Lippen setzte, aber trotzdem zitterte sie, als Dieda sie ihr jetzt reichte. Da sie das Ritual in allen Einzelheiten kannte, wußte Eilan, was sie zu tun hatte.
    Als Priesterin des Orakels hatte auch sie stets den kleinen zeremoniellen Schluck getrunken und kannte den Geschmack. Aber von der Hohenpriesterin wurde erwartet, daß sie den Trank in einem Zug leerte, weil es ihr sonst nicht möglich gewesen wäre, die Schale auszutrinken. Es schmeckte gallebitter. Als sie getrunken hatte, überlegte sie, ob es nicht doch tödliches Gift gewesen sei. Auf diese Weise hätte Ardanos sie mühelos beseitigen können. Aber Caillean hatte ihr versichert, daß sie die Kräuter und Pflanzen selbst zubereiten würde. Niemand außer ihr hatte sie auch nur berühren dürfen. Eilan konnte ihr vertrauen.
    Der Raum verschwamm vor ihren Augen, und der Magen revoltierte. Die Bitterkeit schnürte ihr die Kehle zu. Würde sie sich übergeben müssen? Vielleicht begann jetzt die Strafe…
    Sie kämpfte gegen die Übelkeit, atmete ruhig und gleichmäßig, verband sich mit der heilenden Kraft der Erde, und ihre Selbstdisziplin siegte. Sie trank ein paar Schlucke klares Wasser, um den bitteren Geschmack aus dem Mund zu vertreiben, schloß die Augen und wartete.
    Nach einer Weile legte sich das Gefühl der Übelkeit, aber das Schwindelgefühl erfaßte sie in heftigen Wellen. Sie mußte sich setzen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Unbestimmt erinnerte sie sich, daß auch Lhiannon nach dem Trinken auf ihrem Sitz zusammengesunken war. Damals dachte Eilan, es sei die Schwäche ihres Alters. Inzwischen wußte sie, daß Lhiannon eigentlich nicht so alt gewesen war. Würde auch sie lange vor ihrer Zeit dem allmählichen Siechtum verfallen?
    Es entstand Bewegung im Raum. Die jungen Priesterinnen verschwanden, und dann nahm Eilan wahr, daß Ardanos vor ihr stand. Sie hob den Kopf, um seinen prüfenden Blick zu erwidern.
    »Eilan… wie ich sehe, hat man dich für die Zeremonie vorbereitet.« Er nickte und sagte leise: »Du siehst wirklich sehr schön aus. Die Menschen werden nicht daran zweifeln, daß die Göttin zu ihnen kommt… « So freundliche Worte aus seinem Mund klangen seltsam.
    Eilan gab keine Antwort, aber irgendwo in ihrem Bewußtsein kam ein klarer Gedanke.
    Du sprichst von den Menschen, aber was ist mit dir? Du wolltest mich töten, und jetzt… siehst du wirklich die Göttin in mir, glaubst du an SIE? Deine Gebote hätten mich dazu verurteilt, mit den Blumen im Haar verbrannt zu werden…
    Aber auch das war jetzt nicht weiter wichtig. Eilan hatte das Gefühl, sich darüber zu erheben, denn sie begann zu schweben und entfernte sich immer weiter von allem, was sie umgab.
    »Der Trank wirkt schnell«, murmelte Ardanos und forderte mit einer herrischen Geste Caillean und Dieda auf, den Raum zu verlassen. Dann beugte er sich über Eilan und flüsterte: »Achte auf meine Worte, mein Kind… ich weiß, du kannst mich noch immer hören… «
    Seine Stimme wurde zu einer Melodie wie der Gesang eines Rituals, als er weitersprach.
    Eilan wußte nur, daß er etwas sagte, das von großer Bedeutung war, etwas, an das sie sich erinnern sollte… . aber sie wußte nicht genau, woran. Sie nahm ihn nicht mehr wahr. Sie schwebte über einer grünen Dunkelheit. Die Baumwipfel unter ihr waren in weiter Ferne. Man trug sie in einer Sänfte. Sie erreichten den Platz, und man half ihr, sich zu erheben.

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