Die Wälder von Albion
Stelle zur Hohenpriesterin machen.« Sie lachte leise. »Ich glaube, er hat dem Vorschlag, daß du sie vertrittst, nur zugestimmt, weil er wußte, daß du so reagieren würdest… «
»Ich die Hohepriesterin? Nie im Leben!« rief Dieda. »Dann würde ich Vernemeton nie mehr verlassen können!«
»Wenn du zustimmst, soll es nur vorübergehend sein«, sagte Caillean langsam. »Wenn Eilans Kind geboren ist, übernimmt sie wieder ihre Pflichten. Dann müßtest du auf jeden Fall hier weg…«
»Würdest du mich zu Cynric in den Norden gehen lassen?« fragte Dieda mißtrauisch.
»Ja, wenn das dein Wunsch ist. Aber wir haben daran gedacht, dich nach Eriu zu schicken, damit du dort die hohe Kunst der Barden erlernst… «
»Du weißt sehr wohl, daß ich mir nichts lieber wünsche!« rief Dieda.
Caillean lächelte. »Offenbar kann ich dir etwas bieten oder auch verweigern. Wenn du Eilan… und mir… hilfst, werde ich mich dafür einsetzen, daß du bei den größten Dichtern und Harfnern von Eriu lernen kannst. Aber wenn du es nicht tust… «, sie seufzte, »dann wird Ardanos dich bestimmt zur Hohenpriesterin machen, und ich werde dafür sorgen, daß du hier nicht mehr wegkommst.«
»Du willst mir nur angst machen«, erwiderte Dieda, aber ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken.
»Du kannst es ja darauf ankommen lassen«, erklärte Caillean herausfordernd. »Es gibt inzwischen keine Alternative mehr. Es ist Lhiannons Wunsch… . und ich werde ihren Willen erfüllen, wie wir alle es immer getan haben.«
Dieda schwieg lange. Sie wollte Eilan nicht schaden, obwohl sie der Ansicht war, daß Eilan eine große Dummheit begangen hatte. Sie verstand auch nicht, weshalb Caillean sich so für diesen verrückten Plan einsetzte. Aber sie wollte es mit der älteren Priesterin nicht verderben. Caillean konnte eine gute Freundin oder eine gefährliche Feindin sein - sowohl für sie als auch für Cynric. Dieda war lange genug in Vernemeton, um zu wissen, daß Caillean auf ihre stille Weise sehr großen Einfluß hatte und vieles nur mit ihrer Billigung geschehen konnte.
»Also gut«, sagte sie schließlich, »ich bin bereit, Eilan solange zu vertreten, bis sie das Kind geboren hat, wenn du mir versprichst, daß ich anschließend das tun kann, was mir wichtig ist.«
»Das verspreche ich dir«, Caillean hob die rechte Hand, »die Göttin ist meine Zeugin. Niemand unter den Lebenden kann sagen, daß ich jemals einen Eid gebrochen habe.«
Ein halber Mond war seit Lhiannons Tod vergangen. Heute mußte die Hohepriesterin um Mitternacht zum Lugnasafest vor den Menschen erscheinen.
Eilan wartete mit Caillean in dem besonderen Raum, wo Lhiannon sich so oft auf das Ritual vorbereitet hatte. Die Anspannung schärfte ihr Gehör, und so schreckte sie bei dem Geräusch von Sandalen draußen im Gang zusammen. Die Tür wurde geöffnet, und sie sah die in den rituellen weißen Gewändern übergroß wirkende Gestalt des höchsten Druiden im Halbdunkel.
»Eilan, Tochter der Rheis! Die Göttin hat dich erwählt. Bist du bereit, dich IHR nun völlig zu überlassen?«
Ardanos Stimme hallte wie eine große Glocke, und Eilan spürte, wie sich ihr Magen vor Angst zusammenzog.
Bin ich bereit?
Eilan hatte geglaubt zu wissen, wozu sie sich bereiterklärt hatte. Jetzt aber stürmten die schrecklichen Geschichten wieder auf sie ein, die sie im Haus der jungen Frauen gehört hatte, und es war um ihre innere Sicherheit geschehen. Es kam kaum noch darauf an, ob die Göttin ihr wirklich zürnte, weil sie sich Gaius hingegeben hatte. So oder so forderte das Ritual von ihr alles, und es mußte ein Wunder geschehen, wenn sie die schwere Prüfung ohne Schaden für Körper und Geist und das Kind in ihr überstehen sollte.
Ich wollte doch nur die Druiden herausfordern, aber ich habe SIE herausgefordert und auf diese Weise IHREN Zorn. Die Göttin wird mich bestimmt bestrafen! Was wird das für mein Kind zur Folge haben?
Wenn die Göttin ein Ungeborenes für das bestrafen würde, was die Mutter getan hatte, dann war SIE nicht die liebende Gottheit, der Eilan geschworen hatte zu dienen.
Ardanos wartete auf ihre Antwort - sie alle warteten und hatten hoffnungsvoll oder skeptisch die Augen auf Eilan gerichtet. Langsam kehrte ihre Ruhe zurück.
Wenn die Göttin mich nicht so will, wie ich bin, dann möchte ich nicht mehr leben.
Eilan holte tief Luft und rang sich wieder zu der Entscheidung durch, die sie in der schlaflosen Nacht nach Lhiannons Tod
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