Die Wälder von Albion
Instrument beiseite.
»Nein, ich bin heute nicht in Stimmung«, erklärte er entschieden und richtete seinen Blick auf Eilan.
»Dieda, mein Kind, willst du uns nicht ein Lied singen?«
Eilan lächelte und sagte: »Ich erfülle immer gern deine Wünsche, Großvater, aber ich glaube, du willst nicht im Ernst mich singen hören… «
Ardanos lachte und schüttelte den Kopf.
»Ach, ich habe mich wieder einmal geirrt. Du bist also Eilan? Ich habe den Verdacht, daß ihr beide, du und Dieda, es immer darauf anlegt, mich zu verwirren. Wie kann euch überhaupt jemand auseinanderhalten, bevor eine von euch den Mund aufmacht!«
Rheis meinte: »Vater, ich finde, so ähnlich sehen sie sich überhaupt nicht. Natürlich, Eilan ist meine Tochter und Dieda ist meine Schwester. Für mich sind sie sehr unterschiedlich, obwohl sie dieselbe Haarfarbe haben. Könnte es sein, daß deine Augen schlechter werden, Vater?«
»Nein, ich kann sie schon immer nur dann auseinander halten, wenn eine von ihnen singt«, erwiderte Ardanos. »Erst dann weiß ich mit Sicherheit, wer Eilan und wer Dieda ist.«
Eilan sagte: »Da hast du recht, Großvater. Und ich verspreche dir, ich werde mich nicht zur Sängerin ausbilden lassen.«
Alle lachten, und dann begann Dieda zu singen:
» Ein Vogel in den Lüften hat mir ein Rätsel aufgegeben:
Ein Fisch ist ein Vogel, der im Wasser schwimmt.
Ein Vogel ist ein Fisch, der durch die Lüfte fliegt.
Aber sag mir doch, was ist ein Mensch?<
Rheis winkte während des Lieds Mairi zu sich und fragte: »Haben die Römer außer dem Mann der Stallmagd noch andere mit in die Bleiminen genommen?«
»Nicht daß ich wüßte, Mutter. Aber Rhodri ist den Legionären gefolgt, noch bevor ich ihn danach fragen konnte«, erwiderte Mairi und seufzte. »Er hat gesagt, daß sie die meisten Zwangsarbeiter weiter im Norden ausheben wollen.«
»Dieses Schwein Caradac! Eigentlich sollte ich Clotinus sagen, wie die Römer ihn nennen!« stieß Cynric wütend hervor. »Wenn die alte Laus auf unserer Seite wäre, dann würden die Römer nicht wagen, ihre Legionäre in diesen Teil des Landes zu schicken. Aber solange wir uns nicht einigen können, und die einen zu den Römern überlaufen und die anderen zu den Caledoniern… «
»Schweig!« rief Dieda und unterbrach das Lied. »Wenn du so weitermachst, wirst du bald selbst in den Norden müssen… «
Rheis sagte besänftigend: »Streitet euch nicht, Kinder. Diese Dinge langweilen unseren Gast.« Gaius verstand sehr wohl, daß sie damit meinte: »Es ist zu gefährlich, über solche Dinge zu sprechen, solange ein Fremder im Haus ist.«
Ardanos erklärte ruhig: »In diesem Teil des Landes war es seit Jahren nicht so friedlich. Die Römer glauben, wir sind zahm und nur dazu da, Steuern zu zahlen. Sie haben ihre besten Truppen abgezogen, um die Novanten zu unterwerfen… deshalb sind zur Zeit Ruhe und Ordnung hier eher in Gefahr.«
»Auf diese Ruhe und Ordnung können wir gut verzichten!« rief Cynric heftig, aber Ardanos brachte ihn mit einem strengen Blick zum Schweigen.
Gaius starrte in die Flammen. Vermutlich war es besser, wenn er schwieg, aber Ardanos sah ihn ernst an und fragte: »Was weiß denn unser junger Freund zu berichten?«
Gaius mußte schlucken. Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
»Ich war vor kurzem in Deva… «, begann er langsam und beschloß mutig, auf seine Weise die Wahrheit zu sagen, denn mit jeder neuen Lüge verlor er mehr seine Ehre. »Dort hat man erzählt, der Kaiser wird Agricola vielleicht trotz seiner Siege aus Alba zurückrufen. Die Leute sagen, es sei eine Verschwendung, in einem so unfruchtbaren Land Truppen zu stationieren.«
»So großes Glück können wir überhaupt nicht haben«, sagte Dieda und lachte verächtlich. »Man weiß, daß die Römer erbrechen, was sie gegessen haben, um in ihren Mägen Platz für mehr zu schaffen. Aber soviel wissen wir auch, kein Römer hat je eine Handbreit erobertes Land aufgegeben!«
Gaius öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, nach einem Blick auf Ardanos überlegte er es sich aber anders.
Rheis fragte: »Ist Agricola wirklich so stark? Könnte er ganz Britannien bis zum Nordmeer erobern?«
Ardanos runzelte die Stirn. »An den Gerüchten in Deva ist vielleicht etwas Wahres. Ich bezweifle, daß die Wölfe und die wilden Stämme soviel übriglassen, daß selbst die römischen Steuerpächter noch viel aus den Leuten herauspressen können.«
Dieda blickte Gaius lauernd an und
Weitere Kostenlose Bücher