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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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erwiderte Gaius lachend. »Aber offenbar habe ich wenig Erfolg bei Frauen, wenn die hübscheste mich überhaupt nicht beachtet. Warum wolltest du denn nicht auch bei mir wachen, Kleines?«
    Sie hatte ein rundes, rosiges Gesichtchen und erinnerte ihn an seine Schwester, die vor drei Jahren kurz nach dem Tod seiner Mutter gestorben war. Er zog die Kleine mit dem gesunden Arm zu sich. Sie setzte sich ohne Scheu neben ihn. Als Mairi und Dieda später das Essen auftrugen, bestand sie darauf, von seinem Teller zu essen. Gaius ließ ihr lachend ihren Willen.
    Cynric und Dieda unterhielten sich leise. Gaius hatte Mühe, sich mit dem verbundenen Arm richtig zu bewegen, und konnte kaum etwas essen. Als Eilan seine Schwierigkeiten sah, setzte sie sich neben ihn. Mit einem kleinen scharfen Messer, das sie am Gürtel trug, schnitt sie ihm unaufgefordert alles in mundgerechte Stücke und ermahnte die Kleine leise, sie solle den Gast in Ruhe essen lassen. Danach stand sie wortlos auf und stellte sich neben das Feuer. Gaius vermochte kaum, den Blick von ihr zu wenden.
    Eine der Mägde brachte Mairi ein etwa einjähriges Kind. Ohne die geringste Verlegenheit löste sie das Brusttuch an ihrem Kleid und stillte das Kind, wobei sie sich ungezwungen mit Cynric unterhielt. Plötzlich blickte sie Gaius mit unschuldiger Neugier an und sagte: »Jetzt verstehe ich, weshalb du die Sachen meines Mannes haben wolltest. Nun ja, er ist ohnehin auf und davon, ohne… «, sie brach kopfschüttelnd ab und seufzte tief. »Ich hoffe, er hat nichts dagegen, daß ich seine Sachen einem Gast geliehen habe. Vielleicht wird er mir aber auch Vorwürfe machen, wenn er erfährt, daß ich seine Kleider einem anderen gegeben habe, während er draußen im Wald ist und friert. Sag mal, Gawen, sind alle Silurer so klein wie du, oder hat sich ein Römer in das Bett deiner Großmutter verirrt?«
    Gaius konnte nicht sofort etwas darauf erwidern, denn alle an der Tafel brachen in schallendes Gelächter aus. Er erinnerte sich daran, daß bei den Britonen derbe Späße üblich waren, die ein Römer als taktlos empfunden hätte. Es stimmte, im Vergleich zu den Angehörigen anderer britonischer Stämme waren die Silurer klein; sie hatten eine dunklere Haut und einen zarteren Knochenbau. Cynric, Eilan und Dieda gehörten zu den großen, hellhäutigen Menschen wie sie unter den Belgen zu finden waren. Gaius konnte sich nur verschwommen an seinen Onkel erinnern, der über die Silurer geherrscht hatte. Er war klein von Gestalt und trotzdem ein mächtiger Mann gewesen, der gern gelacht hatte, aber auch sehr zornig werden konnte. Seine Arme waren bis zu den Schultern mit Drachen tätowiert.
    Für einen Römer hatte Gaius eine ganz normale Größe, aber Cynric überragte ihn wie eine Eiche einen Strauch. Gaius ballte unwillkürlich die Fäuste. Er hatte schon immer empfindlich reagiert, wenn sich jemand wegen seiner Größe über ihn lustig machte. Dann entschloß er sich zu einer Antwort, die er in römischer Gesellschaft niemals gewagt hätte.
    »Mann, ich danke dir für deine Großzügigkeit und kann dir versichern, die Hose paßt mir gut… und schließlich hattest du nichts dagegen, daß ich sie trage… «
    Cynric warf den Kopf zurück und lachte aus vollen Hals. Die anderen stimmten ein. Selbst die zurückhaltende Rheis lächelte, aber sie wurde schnell wieder ernst und blickte Mairi teilnahmsvoll an, als wisse sie etwas, von dem ihre Schwiegertochter noch nichts ahnte. Gaius hatte flüchtig den Eindruck, sie müsse sich zwingen, freundlich zu sein. Sie wandte sich Ardanos zu und sagte: »Vater, wie wäre es mit etwas Musik?«
    Ardanos griff nach seiner Harfe und warf Gaius einen langen Blick zu. Der junge Mann zweifelte plötzlich nicht mehr daran, daß der alte Druide sehr wohl wußte, wer er wirklich war. Aber trotzdem schwieg er. Warum?
    Innerlich zitternd rief sich Gaius zur Ordnung. Er mußte jetzt Ruhe bewahren. Ardanos kannte zwar seinen Vater, aber nicht den Sohn! Gaius sah dem alten Macellius nicht ähnlich, sondern glich mit seinen dunklen Locken und schwarzen Augen eher seiner Mutter. Der höchste Druide hatte bei seinen Besuchen in der Präfektur vermutlich nicht auf Gaius geachtet. Außerdem war Gaius in den letzten drei Jahren nur selten in Deva gewesen. Vielleicht war der alte Barde kurzsichtig und hatte ihn nur deshalb so eindringlich angesehen…
    Ardanos fuhr mit den Fingern versonnen über die Saiten der Harfe. Er schien nachzudenken und legte dann das

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