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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Gedanken machen. Der Tod würde eine Gnade und keine Strafe sein. Caillean hatte recht gehabt. Die Druiden durften sich nicht anmaßen, den Priesterinnen vorzuschreiben, wie sie der Göttin dienen sollten. Das Mysterium des Göttlichen, das sich den Menschen offenbarte, lag ganz allein in den Händen der geweihten Frauen. Eilans Tun war von Liebe bestimmt gewesen, und nur darauf kam es an.

    Im Herbst stieg dichter Nebel aus den Sümpfen des Sommerlandes auf, und die Nebelschwaden umschlossen auch den heiligen Ring der Steine auf dem Hügel. Wenn Caillean an solchen Tagen frühmorgens zu ihrer Meditation hinaufstieg, schien das Heiligtum eine kleine Insel in einem grauen, wogenden Meer zu sein. Aber je näher Samhain heranrückte, desto häufiger dachte sie an Eilan.
    Als sich ihr diese Gedanken immer wieder aufdrängten, hatte sie sich zunächst dagegen gewehrt. Es war nicht gut für Eilan, sich an sie zu klammern, und auch Caillean durfte sich nicht von ihrer Aufgabe ablenken lassen. Aber als die Tage immer dunkler wurden, erschien ihr in Visionen immer häufiger Eilans Gesicht. Eilan brauchte sie, und es wäre gefährlich und falsch gewesen, solche Zeichen zu übersehen.
    Eines Morgens erwachte sie und ihr klangen noch die Worte ihres Traums in den Ohren.
    O Mutter, wir stehen hier in der Dunkelheit und sind vom Tod überschattet. Ich rufe dich, meine Schwester, denn du bist mehr als eine Schwester für mich…
    Da wußte Caillean, daß der Schwur, der Eilan und sie miteinander verband - es war nicht nur das Gelübde von Vernemeton, sondern ein Eid, der schon zuvor von einem Leben zum anderen erneuert worden war -, sie verpflichtete, zu Eilan zurückzukehren.
    Als die Nachricht vom Tod des Ardanos im Sommerland eingetroffen war, hatte sie bei den Druiden große Unruhe ausgelöst. Sie wurden zur Wahl des Nachfolgers nach Vernemeton gerufen, aber sie gingen nur ungern, und sie beobachteten Caillean mißtrauisch. Die Spannungen zwischen Priesterinnen und Priestern waren nicht mehr zu leugnen, und Caillean wollte sich um keinen Preis den Druiden unterordnen.
    Als der Zug der Priester eines frühen Morgens feierlich zu der schicksalhaften Reise aufbrach, erachteten sie es nicht einmal für notwendig, sich von Caillean zu verabschieden. Aber Caillean hatte gehört, daß sie von dem Nachfolger fordern wollten, daß er die Priesterinnen nach Vernemeton zurückrief. Die Waage des Schicksals pendelte. Wem würde die Göttin IHRE Gunst gewähren?
    Caillean ließ sich von der Drohung nicht beeindrucken, sondern vermittelte ihren Frauen die Zuversicht, daß hier auf Dauer ein neues Heiligtum der Göttin entstehen würde. Sie glaubte an ihre innere Überzeugung, aber da die endgültige Entscheidung vermutlich in Vernemeton fiel, schien es doppelt richtig, daß auch sie das Sommerland verließ, um in diesem Augenblick an Eilans Seite zu stehen.
    Als der Zug der Priester von den Nebeln verschluckt wurde, fragte sie sich unwillkürlich: Wer von uns wird nach Avalon zurückkehren?

    Erst zwei Wochen vor Samhain hatte Caillean alles so weit geordnet, daß auch sie nach Vernemeton aufbrechen konnte.
    Zu den Vorteilen ihres Amtes im neuen Haus der Priesterinnen gehörte es, daß nichts, was sie tat, in Frage gestellt wurde. Ihre Entscheidungen galten als der Wille der Göttin. Caillean mußte jedoch mit großer Umsicht und Klarheit dafür sorgen, daß alle Aufgaben gerecht verteilt waren, damit die Frauen während ihrer Abwesenheit - die lange dauern konnte - auch ohne sie zurechtkamen.
    Caillean ließ bei Tagesanbruch die Sänftenträger kommen. Es würde Tage dauern, bis sie Vernemeton erreicht hatte. Sie wäre lieber in Männerkleidung und zu Fuß gegangen, aber sie wußte, das konnte sie nicht mit ihrem Amt in Einklang bringen. Deshalb fand sie sich unwillig damit ab, wieder in der förmlichen Sänfte und in den Gewändern der Priesterin zu reisen.
    Der lange Zug des kleinen Volks, der sie bis an das Ufer begleitete, war ein deutliches Zeichen, daß die Priesterinnen bei den Menschen der Insel willkommen waren. Sie brachten Caillean soviel Ehrfurcht entgegen wie einer Herrscherin. Diese Menschen waren so unschuldig und zierlich, daß Caillean immer den Eindruck hatte, es seien Kinder.
    Es sind die Kinder, die ich nie bekommen durfte.
    Als sie das große Wasser überquert hatten, begann es zu regnen. Caillean wußte, bei diesem Wetter würden die Sklaven nur langsam vorankommen. Sie wurde unruhig, aber sie konnte nichts dagegen

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