Die Wälder von Albion
tun. Seit der Tagundnachtgleiche hatten schwere Regenfälle eingesetzt, als weine der Himmel. Caillean seufzte über ihre seltsamen Gedanken und tröstete sich damit, daß selbst die größten Zauberer das Wetter in Albion nicht hatten ändern können.
Nach zwei Tagen erreichten sie Aquae Sulis. Von dort führte die römische Straße nach Norden bis Glevum. Zu ihrer Überraschung befand sich die Straße in einem ungepflegten Zustand. Überall gab es große schlammige Pfützen, und die Pflastersteine schienen zum Teil mutwillig entfernt worden zu sein. Manchmal fehlte sogar der Kies, und die Sänftenträger mußten durch den tiefen lehmigen Schlamm waten. In einem Karren oder einem Wagen wären sie jedoch vermutlich schnell steckengeblieben.
Caillean mußte eingeschlafen sein, denn plötzlich schreckte sie auf. Aus dem Wald, durch den die Straße führte, rannten Männer auf sie zu. Sie sahen abgerissen und heruntergekommen aus.
Entflohene Sklaven und Verbrecher, die überall in der Provinz die Straßen unsicher machen…
Caillean hatte von solchen Banden gehört, war aber noch keiner begegnet. Dieses Gesindel lauerte den Reisenden auf und nutzte die Gelegenheit, Beute zu machen, wo immer sie sich bot.
»Laßt uns in Ruhe!« rief einer der Sänftenträger. »In der Sänfte sitzt eine große Priesterin.«
»Das kümmert uns wenig!« erwiderte der Anführer höhnisch. »Was kann sie uns schon antun? Kann sie Geister beschwören oder Feuer schlucken? Das kann jeder Gaukler auf dem Markt ebensogut!«
Caillean bedauerte, daß sie in der Sänfte keine glühende Holzkohle hatte. Aber diese Kerle schienen nicht so leicht zu beeindrucken wie die Räuber aus Eriu. Deshalb stieg sie aus der Sänfte und fragte ihre Sänftenträger: »Weshalb geht es nicht weiter?«
Die Träger deuteten aufgebracht auf die Männer. Caillean musterte sie ruhig. Dann griff sie in den kleinen Beutel, der an ihrem Gürtel hing. Sie schätzte die Lage immer noch nicht richtig ein, denn die Römer hatten viele Jahre lang für Ruhe und Ordnung auf den Straßen gesorgt. Deshalb glaubte sie nicht an eine wirkliche Gefahr. Sie öffnete den Beutel, nahm eine Münze heraus und sagte kühl: »Auch die Götter haben Mitleid. Das ist für euch… « Sie reichte dem Anführer einen römischen Denar. Der Mann starrte darauf und lachte.
»Wir verzichten auf dein Mitleid, Herrin!« rief er mit übertriebener Höflichkeit. »Aber wir können damit anfangen, daß du uns den Beutel gibst… «
Erst jetzt begriff Caillean, in welcher Lage sie sich befand und was die Männer wollten. Ihre Verwunderung wich der Empörung. Sie atmete tief ein, verwurzelte sich mit der Erde und verband sich mit den Wolken. Ihre Kraft wurde zu dem Gewitter, das in der Luft lag; plötzlich wußte sie, daß sie doch eine Macht über das Wetter besaß. Sie hob beschwörend die Hände und blickte zu der schwarzen Wolke über ihren Köpfen auf.
Der Anführer schien die Gefahr jedoch zu ahnen und holte zum Schlag mit seiner Keule aus. Ein greller Blitz zuckte, und als der explosionsartige Donner die Erde erbeben ließ, schien der Himmel über Caillean einzustürzen, dann wußte sie nichts mehr.
In den Tagen, nachdem Eilan das Zeichen ihres nahen Todes erhalten hatte, bereitete sie sich darauf vor, dem Willen der Göttin zu folgen. Sie zweifelte nicht daran, daß die Göttin für Vernemeton und für das Volk auf IHRE Weise sorgen würde, aber sie fürchtete um die Sicherheit ihres Sohnes, wenn sie nicht mehr dasein würde.
Sie hätte Gawen jederzeit Caillean anvertraut. Aber Caillean war weit weg und bestimmt von ihrer Arbeit in Anspruch genommen. Dieda war die Verwandte des Jungen, aber nach Cynrics Tod hätte sie ihr Gawen niemals anvertrauen können. Lia, die Amme, das wußte sie, würde für Gawen alles tun, aber die arme Frau hatte selbst keinen Platz, der ihr gehörte. Mairi wäre vielleicht bereit, Gawen zu sich zu nehmen; aber wäre der Junge in Sicherheit, wenn Bendeigid erfuhr, wer der Vater des Kindes war?
Eilan hätte gerne gewußt, wieviel Zeit ihr noch blieb. Aber so sehr sie sich auch um eine Antwort auf diese Frage bemühte, die Kräfte, die sie gewarnt hatten, blieben stumm. Gelegentlich spürte sie noch Stiche im Kopf, sonst hätte sie glauben können, alles sei nur Einbildung gewesen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich soviel wie möglich mit dem Jungen zu beschäftigen.
Gawen war gerade zum Abendessen in die Küche gegangen, als Senara in das Zimmer kam
Weitere Kostenlose Bücher