Die Wälder von Albion
er und rückte etwas näher. »Ich war sein einziger Sohn, deshalb erhielt ich eine gute Ausbildung durch Tutoren, und ich lernte Griechisch und Latein. Dann bin ich zu den Legionen gegangen.« Er lächelte entwaffnend. »Mehr ist von mir eigentlich nicht zu berichten.«
»Und… hat es in deinem Leben keine… Frauen gegeben?«
Es war offensichtlich, daß sich Senara nicht erst jetzt mit dieser Frage beschäftigte. Er sah darin ein gutes Zeichen, denn dann lag ihr etwas an ihm. »Mein Vater hat die Ehe mit Julia arrangiert, als ich noch ein Kind war«, antwortete er langsam.
Eines Tages würde er ihr auch von Eilan… und ihrem Sohn erzählen müssen. Aber noch nicht… jetzt noch nicht!
»Wie du vielleicht weißt, hat meine Frau Keuschheit gelobt… . und das bedeutet, ich bin jetzt allein«, murmelte er niedergeschlagen, während es draußen noch immer blitzte und donnerte.
Sie erwiderte: »Ich sollte das nicht sagen, und Vater Petros würde es auch nicht billigen, aber mir scheint das nicht besonders gerecht zu sein. Ich weiß, ein Keuschheitsgelübde gilt als eine Voraussetzung für bestimmte Menschen, die ihr Leben Gott weihen, und es ist die beste Art des Lebens, aber wenn eine Frau verheiratet ist, dann… «
»Würdest du einen solchen Schwur ablegen, wenn du mit mir verheiratet wärst?«
Sie errötete wieder, sagte aber ernst: »Nein, das würde ich nicht. Paulus war ein Schriftgelehrter und hat geschrieben: ›Wer verheiratet ist, soll verheiratet bleiben.‹«
»Wenn ich dich geheiratet hätte, würdest du die Ehe ernster nehmen als Julia?« fragte er leise.
»Ich würde nie einen Schwur brechen, den ich dir gegeben habe.«
»Hast du dein Gelübde in Vernemeton noch nicht abgelegt?«
Senara blickte noch immer auf den Boden. Gaius rückte wieder etwas näher. Es war eine süße Qual, sie nicht an sich zu drücken und sie auf der Stelle zu küssen.
»Nein… «, flüsterte sie. »Die Priesterinnen sind immer so gut zu mir gewesen und haben von mir kaum etwas verlangt. Aber wenn ich der Göttin diene, muß ich mein römisches Erbe aufgeben.« Sie seufzte. »Ich werde mich bald entscheiden müssen.«
»Es gäbe noch eine andere Möglichkeit… «
Seine Stimme wurde heiser, als er den seidigen Glanz ihrer Haare so dicht vor sich sah, aber er dachte an ihre gemeinsame Zukunft. Er war dicht am Ziel seiner Träume und zwang sich zur Selbstbeherrschung.
»Julia hat ihre Rechte als meine Frau durch das Keuschheitsgelübde verwirkt. Wir sind nach römischem Gesetz getraut und nicht nach den christlichen Geboten. Ich könnte dich heiraten, Senara… oder Valeria, wie deine Mutter dich nannte. Dein Onkel Valerius ist ein guter Mann. Er wäre bestimmt froh, wenn ich dich aus Vernemeton heraushole.«
Er hörte, wie sie die Luft anhielt. Sie glich einem unschuldigen Vögelchen, das ihm in die Hand geflogen war… . sie erinnerte ihn an Eilan, die ihm vor so vielen Jahren an jenem schicksalhaften Beltane vertraut hatte, bevor die Druiden sie hart und grausam gemacht hatten. Eilan hatte ihn zurückgewiesen, Julia ebenfalls. Die beiden Frauen waren wie Schatten, die sein Leben verdunkelten; nur das strahlende Licht dieser jungen unschuldigen Frau befreite ihn aus dieser Dunkelheit.
»Wenn das sein könnte… «, flüsterte Senara. »Wohin würden wir gehen?«
»Nach Londinium oder vielleicht sogar nach Rom. Es wird große Veränderungen geben… . mehr kann ich dir im Augenblick nicht sagen. Aber uns beiden würde die Welt offenstehen, wenn du meine Frau wirst!«
Nichts war so schwer, als sie jetzt nicht zu berühren. Sie war ihm so nahe, aber noch konnte er sie verlieren. Senara hob den Kopf, und er sah sie mit seiner ganzen Leidenschaft an.
Sie sprang nicht auf und rannte davon, sondern flüsterte zitternd: »Wenn ich nur wüßte, was ich tun soll… «
Werde mein Frau! Hilf mir, meinen Sohn zu dem Erben zu machen, den ich brauche…
Senara würde Gawen bestimmt so lieben wie ihr eigenes Kind. Deshalb brauchte er sie und konnte keine Römerin heiraten, die Gawen verachten würde, weil er eine britonische Mutter hatte. Ja, er würde Senara heiraten, um seinem Sohn eine Familie zu geben…
Jetzt erst wagte Gaius, zärtlich ihre Haare zu berühren. Sie wich nicht zurück, aber er spürte sie unter seiner Hand zittern. Er wollte sie nicht ängstigen und ließ vorsichtig die Hände sinken.
»Was soll ich nur tun? Gott helfe mir… «, stammelte sie und drehte den Kopf so, daß sich ihre Wange in seine
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