Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
warten.« Er schluckte und sagte dann traurig: »Und das ist beinahe dasselbe.«

    Der höchste Druide von Albion stand vor dem Haus der Hohenpriesterin und blickte zum Himmel hinauf, wo das letzte Sonnenlicht verblaßte. Vom Hügel drang der Lärm vieler Stimmen herüber. Aus der Ferne klang es wie das Rufen einer Schar Zugvögel auf einem See. Aber durch alle anderen Geräusche hindurch drang wie das Pochen von Herzen das tiefe Schlagen der Trommeln. Bald würden die Beltane-Feuer brennen…
    Die Zeit verstrich, aber er hatte seltsamerweise nicht den Wunsch, zu Lhiannon ins Haus zu gehen. Am frühen Morgen war er in Deva gewesen und hatte mit dem römischen Präfekten gesprochen. An diesem Abend würde er sich die Klagen der Menschen anhören müssen, die unter der Herrschaft der Römer litten. Es war ihm unmöglich, sie alle zufriedenzustellen. Bestenfalls gelang es, ein unsicheres und gefährdetes Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, bis - worauf wartete er eigentlich? - bis die alten Wunden vernarbt waren.
    Du wirst tot sein, bevor das geschieht, alter Mann, sagte er sich, und auch Lhiannon wird es nicht mehr erleben.
    Er seufzte und entdeckte den ersten funkelnden Stern am dunklen Himmel.
    »Die Hohepriesterin ist bereit… «, hörte Ardanos eine sanfte Stimme in seinem Rücken. Der Druide drehte sich langsam um und sah eine der jungen Priesterinnen, die ihm die Tür offen hielt. Er glaubte, sich zu erinnern, daß sie Miellyn hieß.

    In Lhiannons Zimmer brannten bereits die Lichter in den von der Decke hängenden Bronzeschalen. Im zuckenden Licht der Flammen sah er, daß sie bereits auf ihrem Sitz saß. Sie war in sich zusammengesunken, und Caillean stand besorgt und wachsam neben ihr. Sie blickte den alten Druiden trotzig an, trat dann aber wortlos zur Seite.
    »Sie hat die heiligen Kräuter bereits genommen«, sagte Caillean, und ihre Worte klangen sachlich.
    Ardanos nickte. Ihm war sehr wohl bewußt, daß Caillean ihn ablehnte, aber das kümmerte ihn nicht weiter. Solange Caillean die Formen der Höflichkeit wahrte, mußte er sich um ihre Gefühle keine Gedanken machen. Es genügte, daß sie Lhiannon ergeben diente.
    Er machte eine Geste, und zögernd verließ Caillean den Raum. Wenn der Schatten der Göttin sich über die Hohepriesterin senkte, dann durfte selbst ihre Leibwache nicht in der Nähe sein. Aber Ardanos hatte wie so oft zuvor darum gebeten, mit Lhiannon allein zu sein, bevor sie für die mitternächtliche Prozession den Schrein verließ. Ihm, dem höchsten Druiden von Albion, konnte man dieses Recht nicht verweigern.
    »Lhiannon… «, sagte Ardanos sanft und sah, wie ein Schauer durch ihren zarten Körper lief. »Kannst du mich hören?« Es folgte ein langes Schweigen.
    »Ich höre dich immer… «, erwiderte die Hohepriesterin schließlich.
    »Du weißt, daß ich das nicht tun würde, Lhiannon«, sagte er beinahe zu sich selbst, »wenn es einen anderen Weg gäbe. Aber ich habe erfahren, daß es wegen der Zwangsarbeiter noch mehr Schwierigkeiten geben wird. Bendeigids Schwiegersohn ist den Legionären gefolgt. Er hat die Soldaten angegriffen, die die Männer aus der Sippe des Druiden bewacht haben. Es kam zum Kampf, und Rhodri wurde gefangengenommen.«
    Er schwieg und schien die Tragweite der Ereignisse selbst noch einmal zu überdenken. Als er weitersprach, klang seine Stimme noch eindringlicher.
    »Macellius ist es bisher gelungen, Rhodris Identität geheimzuhalten, aber es ist mir unmöglich, den Mann zu retten. Der Narr hat mit Waffen gegen Rom gekämpft. Wenn das bekannt wird, bricht bestimmt ein offener Aufstand aus. Du mußt auf alle Fälle das Volk zum Frieden aufrufen… « Seine Stimme sank zu einem beschwörenden Flüstern herab.
    »Es muß Friede im Land herrschen… das ist der Wille der Göttin. Roms Untergang wird kommen, aber noch ist es nicht soweit. Und es darf nicht durch Krieg geschehen. Die Menschen sollen sich gegenseitig helfen und Geduld haben… Sag es ihnen, du bist die Stimme der Göttin… . fordere sie auf, die Götter um Frieden zu bitten.«
    Lhiannon begann zu schwanken, und er wußte, daß seine Worte unter das Bewußtsein hindurch in jene tiefen Bereiche vordrangen, aus denen der Orakelspruch kam. Auch wenn Caillean es bezweifelte, Ardanos war immer davon überzeugt gewesen, daß etwas durch die Hohepriesterin sprach, wenn sie sich in Trance befand. Aber der Druide wußte sehr wohl, daß die Fähigkeit eines geistigen Wesens, sich durch ein menschliches Orakel

Weitere Kostenlose Bücher