Die Waffenbrüder von Antares
Armbrustpfeile ragten aus dem weißen Gefieder, spickten die makellose Brust; rotes Blut beschmutzte die Schönheit.
Der Vogel, ein Vermögen wert, erschauderte und starb.
Ich stand auf.
Das Mädchen war in Ohnmacht gefallen. Die Frauen ihres Gefolges kümmerten sich um sie.
Die Armbrustschützen verstauten ihre Waffen wieder an den Sattelhörnern.
Die prachtvoll gekleideten Galane brüllten und gestikulierten.
Der Wirt rang die Hände. Die Szene widerte mich an.
In diesem Augenblick näherte sich Nulty mit den Mirvols.
»Steig auf, Nulty. Wir wollen durch die frische Luft emporsteigen, fort von diesem ... diesem ...«
»Jawohl, Herr«, sagte Nulty.
Wir schwangen uns in die Sättel der Vögel und stiegen in den klaren Himmel Kregens empor.
6
Ruathytu, die Hauptstadt des Hamalischen Reiches, war ein Ort, an dem man gut leben konnte, wenn man einigermaßen vermögend war. Natürlich vermochte man als reicher Mann an fast jedem Ort und in fast jeder Zeit gut zu leben – so daß Sie es vielleicht für überflüssig halten, daß ich auf diesen Punkt hinweise. Doch in Ruathytu stieß ich auf ein allzu vertrautes schreckliches Phänomen unserer Erde, das mir bis dahin auf Kregen noch nicht untergekommen war.
In Sanurkazz, Magdag, Vondium und Zenicce, in all den wunderbaren kregischen Städten, gab es Herren von unglaublichem Reichtum; dazu ihre Gefolgsleute, die ausreichend versorgt waren; darunter Ladenbesitzer, Schänkenwirte und die führenden Handwerker; darunter die Sklaven.
In Ruathytu gab es Guls von Meisterhandwerkern bis zu Arbeitern, die nur eine Handbreit über der Sklaverei standen. Unter den ausgebildeten Guls vegetierte eine große Zahl vor sich hin. Diese Hamaler waren frei, ein Umstand, auf den sie lachhaft stolz waren, doch zugleich bettelarm. In einem schlechten Jahr mochten sie an Hunger oder Krankheit sterben, und nur wenige konnten sich einen Arzt leisten.
Natürlich versahen Sklaven den größten Teil der wirklich unangenehmen Arbeiten, wie es überall auf Kregen üblich war; doch so mancher freie Mann, so manche freie Frau war sich in verzweifelter Lage nicht zu schade, Seite an Seite mit den Sklaven zu arbeiten.
So war die Lage, als Nulty und ich unsere Mirvols in einem öffentlichen Vogelturm unterstellten, wo sie ein Dach über dem Kopf hatten, und unseren ersten Rundgang durch die Stadt machten.
Mir fielen sofort die deutlichen Trennlinien auf; die vielen Rassen, die in jedem Aspekt des Lebens vermengt waren, die aber Stufe um Stufe für sich blieben, jede Stufe von der anderen durch eiserne Barrieren von Dünkel, Rassenhaß und Reichtum getrennt.
Dies mag so alltäglich erscheinen, daß es gar keine Erwähnung verdient; doch meine bisherigen Erfahrungen auf Kregen hatten mir gezeigt, daß jeder Mensch in dieser schrecklichen, doch wunderbaren Welt aufsteigen konnte; daß er Fortschritte in materieller wie auch geistiger Hinsicht machen konnte und dabei nicht nur Reichtum, sondern auch Prestige und Zuneigung gewann und einen Platz im Leben, der nicht unbedingt die Herabwürdigung eines Mitmenschen zur Folge hatte. Die Sklaven erleichterten diese Verhältnisse natürlich, und ich versuche diese häßliche Tatsache auch nicht zu leugnen, doch bringt mich das nicht von der vielleicht unmöglichen Aufgabe ab, alles zu unternehmen, die schmähliche Institution der Sklaverei auszurotten. Die Clums von Hamal waren keine Sklaven; niemand durfte sie ohne guten Grund versklaven oder ihnen einen Eisenkragen um den Hals legen; die Clums waren frei. Daß sie nicht das Privileg der Sklaven genossen, von ihrem Herrn Schlafstatt und Nahrung zugeteilt zu bekommen, machte für sie keinen Unterschied. Lieber hungerten sie und schliefen auf der Straße. Lieber Clum als Sklave.
Der ewige Traum eines Clum war es, Reichtum und Fähigkeiten zu erwerben, um ein Gul zu werden.
Nulty, der einmal Gul gewesen war und jetzt als getreuer Diener eines Edelmannes fungierte, rümpfte die Nase.
»Diese Stadt stinkt, Herr«, verkündete er.
Ich wußte, was er meinte.
»Sie riecht doch gar nicht so schlecht – bei all den vielen Brunnen und den Horden von Straßenfegern. Überall sind doch Blumen und schöne duftende Büsche, und die weißen Mauern werden doch täglich gut abgewaschen ...«
»Das habe ich nicht gemeint, Notor.«
Wir fanden eine gemütliche Schänke, die Wert auf Dauergäste legte. Sie hieß Thraxter und Voller , ein sauberes Haus, dessen Gäste zumeist hohe Horter, Tyrs und Kyrs
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