Die Wahlverwandtschaften
kam hierzu, ihm selbst unbewußt, ein andrer geheimer Antrieb: es ward ihm so schwer, dieses Haus, diese Familie zu verlassen, ja es schien ihm unmöglich, von Ottiliens Augen zu scheiden, von deren ruhig freundlich gewogenen Blicken er die letzte Zeit fast ganz allein gelebt hatte.
Die Weihnachtsfeiertage nahten sich, und es wurde ihm auf einmal klar, daß eigentlich jene Gemäldedarstellungen durch runde Figuren von dem sogenannten Präsepe ausgegangen, von der frommen Vorstellung, die man in dieser heiligen Zeit der göttlichen Mutter und dem Kinde widmete, wie sie in ihrer scheinbaren Niedrigkeit erst von Hirten, bald darauf von Königen verehrt werden.
Er hatte sich die Möglichkeit eines solchen Bildes vollkommen vergegenwärtigt.
Ein schöner, frischer Knabe war gefunden; an Hirten und Hirtinnen konnte es auch nicht fehlen; aber ohne Ottilien war die Sache nicht auszuführen.
Der junge Mann hatte sie in seinem Sinne zur Mutter Gottes erhoben, und wenn sie es abschlug, so war bei ihm keine Frage, daß das Unternehmen fallen müsse.
Ottilie, halb verlegen über seinen Antrag, wies ihn mit seiner Bitte an Charlotten.
Diese erteilte ihm gern die Erlaubnis, und auch durch sie ward die Scheu Ottiliens, sich jener heiligen Gestalt anzumaßen, auf eine freundliche Weise überwunden.
Der Architekt arbeitete Tag und Nacht, damit am Weihnachtsabend nichts fehlen möge.
Und zwar Tag und Nacht im eigentlichen Sinne.
Er hatte ohnehin wenig Bedürfnisse, und Ottiliens Gegenwart schien ihm statt alles Labsals zu sein; indem er um ihretwillen arbeitete, war es, als wenn er keines Schlafs, indem er sich um sie beschäftigte, keiner Speise bedürfte.
Zur feierlichen Abendstunde war deshalb alles fertig und bereit.
Es war ihm möglich gewesen, wohltönende Blasinstrumente zu versammeln, welche die Einleitung machten und die gewünschte Stimmung hervorzubringen wußten.
Als der Vorhang sich hob, war Charlotte wirklich überrascht. Das Bild, das sich ihr vorstellte, war so oft in der Welt wiederholt, daß man kaum einen neuen Eindruck davon erwarten sollte.
Aber hier hatte die Wirklichkeit als Bild ihre besonderen Vorzüge.
Der ganze Raum war eher nächtlich als dämmernd und doch nichts undeutlich im Einzelnen der Umgebung.
Den unübertrefflichen Gedanken, daß alles Licht vom Kinde ausgeht, hatte der Künstler durch einen klugen Mechanismus der Beleuchtung auszuführen gewußt, der durch die beschatteten, nur von Streiflichtern erleuchteten Figuren im Vordergrunde zugedeckt wurde.
Frohe Mädchen und Knaben standen umher, die frischen Gesichter scharf von unten beleuchtet.
Auch an Engeln fehlte es nicht, deren eigener Schein von dem göttlichen verdunkelt, deren ätherischer Leib vor dem göttlich-menschlichen verdichtet und lichtsbedürftig schien.
Glücklicherweise war das Kind in der anmutigsten Stellung eingeschlafen, sodaß nichts die Betrachtung störte, wenn der Blick auf der scheinbaren Mutter verweilte, die mit unendlicher Anmut einen Schleier aufgehoben hatte, um den verborgenen Schatz zu offenbaren.
In diesem Augenblick schien das Bild festgehalten und erstarrt zu sein.
Physisch geblendet, geistig überrascht, schien das umgebende Volk sich eben bewegt zu haben, um die getroffenen Augen wegzuwenden, neugierig erfreut wieder hinzublinzen und mehr Verwunderung und Lust als Bewunderung und Verehrung anzuzeigen, obgleich diese auch nicht vergessen und einigen ältern Figuren der Ausdruck derselben übertragen war.
Ottiliens Gestalt, Gebärde, Miene, Blick übertraf aber alles, was je ein Maler dargestellt hat.
Der gefühlvolle Kenner, der diese Erscheinung gesehen hätte, wäre in Furcht geraten, es möge sich nur irgend etwas bewegen; er wäre in Sorge gestanden, ob ihm jemals etwas wieder so gefallen könne.
Unglücklicherweise war niemand da, der diese ganze Wirkung aufzufassen vermocht hätte.
Der Architekt allein, der als langer, schlanker Hirt von der Seite über die Knieenden hereinsah, hatte, obgleich nicht in dem genauesten Standpunkt, noch den größten Genuß.
Und wer beschreibt auch die Miene der neugeschaffenen Himmelskönigin?
Die reinste Demut, das liebenswürdigste Gefühl von Bescheidenheit bei einer großen, unverdient erhaltenden Ehre, einem unbegreiflich unermeßlichen Glück bildete sich in ihren Zügen, sowohl indem sich ihre eigene Empfindung, als indem sich die Vorstellung ausdrückte, die sie sich von dem machen konnte, was sie spielte.
Charlotten erfreute das schöne
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