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Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften

Titel: Die Wahlverwandtschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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durften sich ausschließen, und so zog man jagend und reitend, schlittenfahrend und lärmend von einem Gute zum andern, bis man sich endlich der Residenz näherte; da denn die Nachrichten und Erzählungen, wie man sich bei Hofe und in der Stadt vergnüge, der Einbildungskraft eine andere Wendung gaben und Lucianen mit ihrer sämtlichen Begleitung, indem die Tante schon vorausgegangen war, unaufhaltsam in einen andern Lebenskreis hineinzogen.
    Man nimmt in der Welt jeden, wofür er sich gibt; aber er muß sich auch für etwas geben.
    Man erträgt die Unbequemen lieber, als man die Unbedeutenden duldet.
    Man kann der Gesellschaft alles aufdringen, nur nicht, was eine Folge hat.
    Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen; wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren, wie es mit ihnen steht.
    Ich finde es beinahe natürlich, daß wir an Besuchenden mancherlei auszusetzen haben, daß wir sogleich, wenn sie weg sind, über sie nicht zum liebevollsten urteilen; denn wir haben sozusagen ein Recht, sie nach unserm Maßstabe zu messen.
    Selbst verständige und billige Menschen enthalten sich in solchen Fällen kaum einer scharfen Zensur.
    Wenn man dagegen bei andern gewesen ist und hat sie mit ihren Umgebungen, Gewohnheiten, in ihren notwendigen, unausweichlichen Zuständen gesehen, wie sie um sich wirken oder wie sie sich fügen, so gehört schon Unverstand und böser Wille dazu, um das lächerlich zu finden, was uns in mehr als einem Sinne ehrwürdig scheinen müßte.
    Durch das, was wir Betragen und gute Sitten nennen, soll das erreicht werden, was außerdem nur durch Gewalt oder auch nicht einmal durch Gewalt zu erreichen ist.
    Der Umgang mit Frauen ist das Element guter Sitten.
    Wie kann der Charakter, die Eigentümlichkeit des Menschen, mit der Lebensart bestehen?
    Das Eigentümliche müßte durch die Lebensart erst recht hervorgehoben werden.
    Das Bedeutende will jedermann, nur soll es nicht unbequem sein.
    Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat.
    Rohe Kriegsleute gehen wenigstens nicht aus ihrem Charakter, und weil doch meist hinter der Stärke eine Gutmütigkeit verborgen liegt, so ist im Notfall auch mit ihnen auszukommen.
    Niemand ist lästiger als ein täppischer Mensch vom Zivilstande.
    Von ihm könnte man die Feinheit fordern, da er sich mit nichts Rohem zu beschäftigen hat.
    Wenn wir mit Menschen leben, die ein zartes Gefühl für das Schickliche haben, so wird es uns angst um ihretwillen, wenn etwas Ungeschicktes begegnet.
    So fühle ich immer für und mit Charlotten, wenn jemand mit dem Stuhle schaukelt, weil sie das in den Tod nicht leiden kann.
    Es käme niemand mit der Brille auf der Nase in ein vertrauliches Gemach, wenn er wüßte, daß uns Frauen sogleich die Lust vergeht, ihn anzusehen und uns mit ihm zu unterhalten.
    Zutraulichkeit an der Stelle der Ehrfurcht ist immer lächerlich.
    Es würde niemand den Hut ablegen, nachdem er kaum das Kompliment gemacht hat, wenn er wüßte, wie komisch das aussieht.
    Es gibt kein äußeres Zeichen der Höflichkeit, das nicht einen tiefen sittlichen Grund hätte.
    Die rechte Erziehung wäre, welche dieses Zeichen und den Grund zugleich überlieferte.
    Das Betragen ist ein Spiegel, in welchem jeder sein Bild zeigt.
    Es gibt eine Höflichkeit des Herzens; sie ist der Liebe verwandt.
    Aus ihr entspringt die bequemste Höflichkeit des äußern Betragens.
    Freiwillige Abhänglichkeit ist der schönste Zustand, und wie wäre der möglich ohne Liebe.
    Wir sind nie entfernter von unsern Wünschen, als wenn wir uns einbilden, das Gewünschte zu besitzen.
    Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.
    Es darf sich einer nur für frei erklären, so fühlt er sich den Augenblick als bedingt.
    Wagt er es, sich für bedingt zu erklären, so fühlt er sich frei.
    Gegen große Vorzüge eines andern gibt es kein Rettungsmittel als die Liebe.
    Es ist was Schreckliches um einen vorzüglichen Mann, auf den sich die Dummen was zugute tun.
    Es gibt, sagt man, für den Kammerdiener keinen Helden.
    Das kommt aber bloß daher, weil der Held nur vom Helden anerkannt werden kann.
    Der Kammerdiener wird aber wahrscheinlich seinesgleichen zu schätzen wissen.
    Es gibt keinen größern Trost für die Mittelmäßigkeit, als daß das Genie nicht unsterblich sei.
    Die größten Menschen hängen immer mit ihrem Jahrhundert durch eine Schwachheit zusammen.
    Man hält die Menschen gewöhnlich für

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