Die wahre Lehre - nach Mickymaus
die verhinderte, daß Baby störende schrille Töne von sich gab – ein Triumph der HiFi-Technik –, kein Signal mehr an den Computer gegeben, was sehr ungewöhnlich war.
»Ich schalte mal das Kreisch-Filter aus!« schrie Karl und tippte die Anweisung ein.
Augenblicklich konnte Bennie wieder brüllen, und er tat es – markerschütternd. Karl stürzte erschrocken ins Kinderzimmer. Dort stand Hilde völlig verstört vor dem Baby, das eine Kakophonie der schrillsten, wahnwitzigsten, gräßlichsten Töne ausspie, die je ihre Ohren gemartert hatten.
»Was sollen wir nur tun?« schrie Hilde, um das Sirenengeheul zu übertönen.
»Da gibt’s nur eins«, schrie Karl zurück. »Er muß zum Service.«
Hilde fütterte den Kleinen. Die frankfurtergroßen Armstummelchen wedelten herum, aber zum Glück waren sie zu kurz, um den zum Mund geführten Löffel wegzufetzen.
Bennie mochte keinen Spinat. Bennie mochte überhaupt kein Gemüse. Das einzige, was Bennie mochte, waren Gummibärli und süßer Tee (Marke Schlafmützchen). Alles andere endete regelmäßig mit einer Katastrophe.
Ein Löffel Spinat erreichte das Ziel. Die Frankfurter ruderten verzweifelt, Bennie verzog das Gesicht, die nunmehr reparierte Kreisch-Diode an seinem rechten Ohr blinkte wie rasend, und ehe Hilde in Deckung gehen konnte, kam der Spinat wie ein grüner Wirbelwind wieder heraus.
Gut, daß ich das grüne Kleid anhabe, dachte sie beiläufig. Dann wurde ihr bewußt, daß sie im Begriff war, hysterisch zu werden. Sie stellte den Spinat außerhalb der Reichweite der flatternden Würstchen und atmete einige Male tief.
›Beide Arme und Beine sind ganz schwer und warm‹, dachte sie zur Beruhigung, aber die stellte sich angesichts des Geruders ihres Sprößlings nicht ein.
»Es ist alles in Ordnung«, murmelte sie, die Fäuste ballend. »Er kann ja nichts dafür. Sein Mund ist das einzige, womit er sich ausdrücken kann.« Und daher war es nicht überraschend, daß dieser Mund so kräftig war. Bennie konnte Hühnerragout in die Niagara-Fälle verwandeln (die kanadischen, versteht sich). Die einst geblümte Tapete der Eßecke hatte sich im Lauf der Monate in einen Dschungel aus Erbsen, Karotten und Kohlrabi verwandelt, in dem Schweine, Hühner und Rinder lebten. Freilich bedurfte es eines geschulten Blicks, um die angetrockneten Klümpchen zu identifizieren. Lediglich die Karotten waren leicht zu erkennen.
Und nun wuchs auch Spinat in diesem Urwald. Sie brauchte dringend ein Brain-Jetting, sonst schnappte sie noch über.
Hilde kam nach einwöchiger Erholung gut gelaunt und energiegeladen zurück. Ihre gute Laune währte jedoch nicht lange.
Karl saß wieder einmal am Computer, und Bennie steckte an der Steckdose – wahrscheinlich schon den ganzen Tag. Auf dem Boden und auf dem Eßtisch lag eine Schicht feinen braunen Staubes.
»Karl!« sagte sie mit einer bedrohlichen Hebung am Ende. »Karl, was ist das für Staub?«
Er riß sich vom PC los und kam rüber.
»Was meinst du?« Er stierte wie ein Ochse auf das schokoladebraun melierte Tischtuch.
»Ich meine diesen eigenartigen schokoladenbraunen Staub.«
»Ach, den Staub meinst du. Nun, das ist ganz gewöhnlicher Rückstand von Bennies Verdauung.«
»Rückstand??!« Sie glaubte, ›Rückstand‹ verstanden zu haben.
»Aber ja. Du weißt doch: Katalysator ein, und die ganze Babyscheiße wird pulverisiert. Ich habe ihn täglich ausgeklopft.«
»Ausgeklopft??« Er war auch noch stolz darauf.
»Ja doch, ich habe ihn gehalten und auf den Rücken geklopft, damit der Staub rausfällt. Das schadet ihm doch nicht?«
»Ihm nicht, aber dem Tischtuch!!«
»Ach wo, das ist bloß Kohlenstoff mit ein bißchen Mineralien und Spurenelementen. Ich hab es dir doch erklärt: Der Enddarm ist katalytisch ausgekleidet, und wenn man ihn an die Steckdose ansteckt, zerbröselt das ganze Zeugs zu Kohle.«
»Ach, hör doch auf mit deinen Erklärungen! Das schöne Tischtuch.« Sie versuchte, den ›Rückstand‹ mit der Hand wegzuwischen, wodurch die getrockneten Exkremente nur noch tiefer in den Stoff eindrangen.
»Da – sieh dir das an! Sieht das vielleicht aus wie ein Tischtuch? Das ist eine Windel!«
»Beruhige dich. Windeln gibt es zum Glück schon lange nicht mehr.
Ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst. Bei deinem selbstreinigenden Backrohr machst du ja auch nicht so ein Theater. Du klopfst den Staub einfach vom Blech ab, und fertig. Nichts anderes hab ich mit Bennie getan. Es ist das
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