Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)
einem Konzert. Mindestens zehn Männer tanzten um sie herum, aber keinem schenkte sie ihre Aufmerksamkeit.
Als Antonio jetzt erfuhr, dass Emma die Tochter von Margaret Cavendish war, erhoffte er sich eine neue Chance. Denn ihm war inzwischen klar, dass ihr Versteckspiel nichts mit ihm, sondern etwas mit ihrer Mutter zu tun haben musste. Emma hatte sich offensichtlich vor ihrer Familie versteckt, denn jetzt, wo die Sängerin tot war, schien ihr die Öffentlichkeit nichts mehr auszumachen.
Als Tochter von Margaret Cavendish war sie für ihn auch in anderer Hinsicht interessant. Seine Karriere ging steil nach oben, aber er war noch nicht verheiratet. Die Heirat mit der Tochter einer der besten Sängerinnen der Welt würde seinen Triumph krönen. Und außerdem war Emma durch ihre sanfte, zurückhaltende Art als Ehefrau ideal. Antonio hatte zwar selbst ständig Affären, aber die Mutter seiner Kinder sollte treu und gefügig sein. So stellte er sich das Ganze vor. Und sie war bildschön, eine weitere edle Trophäe in seiner Sammlung.
Langsam ging Antonio die Straße entlang. Er grübelte, denn es gab ein Problem: Alex Landon! Das Foto von Emma im Arm von Alex beunruhigte ihn.
Er kannte Alex gut. Sie hatten zur gleichen Zeit in Mailand studiert. Antonio Gesang, Alex Klavier. Und schon damals hatten sie sich gehasst. Sie waren zu verschieden und Alex hatte Antonio spüren lassen, dass er ihn für seine Weibergeschichten verachtete. Denn Alex hatte, im Gegensatz zu Antonio, selten eine Freundin, und wenn er eine hatte, zeigte er sie nicht rum.
Und jetzt tauchte Alex in Emmas Nähe auf. Es konnte ja sein, dass Emma tatsächlich nichts für den Pianisten empfand. Aber der Blick mit dem Landon Emma auf dem Foto angesehen hatte, war eindeutig. Landon war ein Mann, der Antonio wirklich gefährlich werden konnte.
Antonio wusste instinktiv, dass er jetzt schnell sein musste. Bei der nächsten Gelegenheit würde er Emma einen Heiratsantrag machen. Und er würde dafür sorgen, dass sie ihn auch annahm.
Emma stand hinter der Gardine und beobachtete den Sänger. Sie entspannte sich erst, als er endlich weg war. Die Zähigkeit, mit der er seit Jahren um sie warb, beunruhigte sie. Es war so eindeutig, was er wollte, aber sie konnte es ihm einfach nicht geben. Also mied sie seine Gesellschaft.
Sie hatte immer noch die Rosen im Arm. Ab in den Müll damit, sie war nicht käuflich! Sie ging in die Küche und öffnete den Mülleimer. Doch dann entschied sie sich anders. Die Rosen waren wirklich sehr schön und was konnten die Blumen dafür, wenn sich ihr Überbringer daneben benahm?
Emma gab sie in eine Vase und brachte das Gebinde ins Wohnzimmer. Dort stellte sie das Glas auf den Steinway-Flügel ihrer Mutter und betrachtete die großen, gefüllten Blüten. Sie verströmten einen feinen Duft. Warum nur war sie so abweisend gegen Antonio? Er war ein sehr attraktiver Mann, unglaublich charmant und ein berühmter Sänger. Eine richtig gute Partie. Jede andere Frau würde ihn mit Handkuss nehmen.
»Du bist dumm, Emma Cavendish! Dumm! Dumm! Dumm!« Heftig schlug sie mit der Faust aufs Klavier. »Und das alles wegen Alex!« Die Heftigkeit ihres Ausbruchs überraschte sie. Alles wegen Alex! Ja, das stimmte. Alex war schuld an dieser ganzen Misere! Er trug die Verantwortung dafür, dass sie sich nicht einfach in einen anderen Mann verlieben konnte. Immer noch nicht!
Emma setzte sich an den Flügel und ihre Finger strichen sanft über die Tastatur. Hier war sie Alex zum ersten Mal begegnet.
Er hatte sich als Pianist beworben, denn ihre Mutter suchte einen neuen Begleiter. Er war gut und Margaret Cavendish engagierte ihn. Ab da kam er regelmäßig. Emma war von seiner Virtuosität am Klavier fasziniert und seine männliche Ausstrahlung verwirrte sie. Er war dreiundzwanzig und sie ein kleines sechzehnjähriges, unerfahrenes Mädchen, das sich zum ersten mal verliebte. Für Emma war er der schönste Mann, den sie je gesehen hatte und sie zählte die Stunden bis zu seinem nächsten Erscheinen. Schüchtern hielt sie sich dann in seiner Nähe auf, aber sie traute sich nicht, ihm zu zeigen, wie sehr sie ihn mochte. Er schien sich auch nicht sonderlich für sie zu interessieren, denn er schenkte ihr kaum Aufmerksamkeit.
Auch Tatjana, die sich eigentlich nicht sonderlich für Musik interessierte, tauchte, wenn er da war, ab und zu auf und hörte zu. Aber da er auch sie weitgehend ignorierte, war ihr die Sache bald zu langweilig. Emma dagegen
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