Die Wahrheit über Geld - Wie kommt unser Geld in die Welt und wie wird aus einem Kleinkredit ein großer Finanzcrash (German Edition)
Schließlich stöhnen Anleger schon jetzt über die niedrigen Zinsen – und das, obwohl sie erst seit einigen Jahren so niedrig sind.
Es ist kaum anzunehmen, dass ausgerechnet dem großen Geist Einstein diese Seite des achten Weltwunders entgangen sein sollte, denn als Physiker kannte er sich schließlich mit Exponentialfunktionen aus. Deshalb ist zu vermuten, dass er seine Belobigung, falls er sie überhaupt jemals ausgesprochen haben sollte, allenfalls ironisch gemeint haben dürfte. Schließlich war er bekannt für hintersinnige Äußerungen.
Diese Vermutung wird umso plausibler, wenn man noch den folgenden Zusammenhang bedenkt: Einem durch Zinseszins anwachsenden Geldvermögen 3 muss eine gleichermaßen wachsende Verschuldung gegenüberstehen, denn das Geldvermögen des einen ist ja meistens eine Schuld des anderen – beides sind zwei Seiten derselben Medaille. Man braucht sich deshalb nicht zu wundern, dass die Mengen an Geldvermögen und Schulden in aller Welt wachsen. Das achte Weltwunder sorgt automatisch dafür, indem es beide Mengen zu anhaltendem Wachstum antreibt. Man kann auch sagen, der Zinseszins ist der grundlegende Automatismus hinter diesem Wachstum, während jene Wachstumstreiber, die wir in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben haben, diesen Effekt noch verstärken.
Allerdings ist klar, dass es auf der Erde kein unendliches Wachstum gibt – schon gar kein exponentielles. Was nicht von selbst aufhört zu wachsen, muss irgendwann gestoppt werden. Krebsgeschwüre zum Beispiel werden zerstört, wenn der Körper stirbt, den sie befallen haben. Ihr Ende kommt sogar umso früher, je schneller sie sich ausbreiten. In diesem Fall liegt der Anlass für die spätere Vernichtung also in der Triebfeder des Wachstums selbst.
Ähnlich verhält es sich beim Geld: Wachsende Geld- und Schuldenmengen tendieren von einem gewissen Zeitpunkt an dazu, in sich zusammenzufallen. Die Finanzkrise ist dafür ein gutes Beispiel. Hätten die Regierungen und Notenbanken nicht eingegriffen, wäre vermutlich eine Kaskade aus Bankenpleiten und Unternehmenszusammenbrüchen entstanden, in deren Verlauf sich Unmengen von Schulden und Geldvermögen in Luft aufgelöst hätten. Erst nach dem Einsturz hätte das Wachstum dann wieder von Neuem einsetzen können.
So aber haben die staatlichen Rettungsdienste mit ihren massiven Geldspritzen den Zusammenbruch gestoppt und ins Gegenteil verkehrt. Die Konsequenz ist, dass sich das Wachstum fortsetzt, bis der Einbruch eines Tages erneut droht und damit weitere Rettungsspritzen erforderlich macht. Wie lange sich dieses Spiel wiederholen lässt, ist unklar, fest steht aber, dass es nicht ewig funktioniert. Irgendwann muss die Bereinigung, also das Zusammenstreichen von Geldvermögen und Schulden, kommen, so wie es in der Vergangenheit schon häufig gekommen ist. Pleiten von Banken, Unternehmen und Staaten bis hin zu sogenannten Währungsreformen – all dies sind zwangsläufige Folgen.
DIE SCHÖNE UND DAS BIEST
Damit steht fest, dass das achte Weltwunder neben seiner beeindruckenden Seite eine hässliche hat – man kann in ihm also sowohl die Schöne als auch das Biest entdecken. Dies spiegelt sich auch in den Einschätzungen der Menschen zum Zins wider: Die einen loben ihn, die anderen lehnen ihn ab. Es gibt jedoch nur wenige, die beide Seiten erkennen. Sowohl seine Befürworter als auch seine Kritiker scheinen auf jeweils einem Auge blind zu sein.
Dies gilt offensichtlich sogar für die heutigen Wirtschaftswissenschaftler, zu deren Job es eigentlich gehört, eine Sache von mehreren Seiten zu betrachten. Beim Zins und Zinseszins tun sie das aber in der Mehrheit nicht, sondern sie sehen in ihm nur das Positive. Gerne bringen Ökonomen zum Beispiel Argumente wie: Der Zins sei der gerechtfertigte Preis dafür, dass man mithilfe eines Kredites schon jetzt über Güter verfügen könne, die man sich ansonsten erst in der Zukunft leisten könnte.
Das ist durchaus korrekt und deshalb gibt es auch gute Gründe für den Zins, der aus unserer heutigen Welt ohnehin kaum noch wegzudenken ist. Trotzdem sollte man aber nicht die Augen vor seinen langfristigen Folgen verschließen, die schon mit simpler Arithmetik nachweisbar sind. Das hieße nämlich, die mathematisch belegbare Tatsache zu ignorieren, dass der Zinseszins auf lange Sicht nicht nachhaltig ist.
Die fehlende Nachhaltigkeit ist möglicherweise auch der tiefere Grund für die erwähnten philosophischen und religiösen Vorbehalte
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