Die Wahrheit über Geld - Wie kommt unser Geld in die Welt und wie wird aus einem Kleinkredit ein großer Finanzcrash (German Edition)
dabei wiederum auf ein Schneeballsystem verlassen: nämlich auf unser Geld. Dessen Schneeballcharakter ist allerdings noch schwerer zu durchschauen als der unseres Rentensystems (siehe Anhang 9 ).
Außerdem setzen Riester und Co ausgerechnet auf jene Aufgabe des Geldes, die den Schneeballcharakter erst bewirkt, nämlich auf die sogenannte Wertaufbewahrungsfunktion. Sie gehört neben der Funktion als Zahlungsmittel zu den beiden wichtigsten Bestimmungen unseres Geldes.
Doch warum zieht ausgerechnet sie den Schneeballeffekt nach sich? Ganz einfach: Nur wenn Geld auch zur Wertaufbewahrung dient, wandert es in Speicher und fehlt anschließend zur Tilgung von Krediten. Nur deshalb muss es dann zwingend durch zusätzliches Geld und zusätzliche Schulden ergänzt werden. Würde Geld dagegen nur als Zahlungsmittel verwendet und nicht zur Wertaufbewahrung, was zumindest theoretisch denkbar ist, fiele ein wesentlicher Zwang zum Geld- und Schuldenwachstum weg. 1
Aber so ist es in der Realität eben nicht und deshalb lässt sich Luthers Schneeball-Spruch in abgeänderter Form auch explizit auf unser modernes Geldsystem übertragen: Geld- und Schuldenmengen sind wie Schneebälle. Je länger sie rollen, desto größer werden sie. Der Unterschied ist nur, dass man Schneebälle stoppen kann, damit sie nicht mehr wachsen. Unsere Geld- und Schulden-Maschinerie dagegen lässt sich nicht mehr anhalten, wenn sie erst einmal in Gang gekommen ist. Sie ist vielmehr wie ein rollender Schneeball, der immer in Bewegung bleiben muss.
1 Darauf gehen wir im Abschnitt „Weitermachen oder therapieren?“ noch einmal ein
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DAS MÄRCHEN
VON DER
SCHULDENBREMSE
„DREI TAGE NÄMLICH, EHE DER STORCH EIN KLEINES KIND BRINGT, KLOPFT ER MIT SEINEM ROTEN SCHNABEL AN DAS FENSTER DER LEUTE, WELCHE ES BEKOMMEN SOLLEN, UND RUFT:
‚SCHAFFT EINE WIEGE, EIN’ SCHLEIER FÜR FLIEGEN, EIN BUNTES RÖCKLEIN, EIN WEISSES JÄCKLEIN, MÜTZCHEN UND WINDEL: BRING’ EIN KLEIN KINDEL!’
DANN WISSEN DIE LEUTE, WORAN SIE SIND.“
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Aus „Das Klapperstorch-Märchen“, in: „Träumereien an französischen Kaminen“, Märchensammlung von Richard von Volkmann-Leander, Düsseldorf 2009, S. 110
Inmitten der Euro-Schuldenkrise hatte Deutschland einen neuen Exportschlager. Wir meinen nicht etwa ein Produkt deutscher Auto-Ingenieurskunst, sondern ein Erzeugnis, das unsere Politiker entwickelt hatten: die Schuldenbremse. Schon kurz nachdem sie 2009 ins Grundgesetz eingebaut worden war, rissen sich andere Länder förmlich um sie. Viele Regierungen wollten die Bremse ebenfalls einführen, um die von der Schuldenkrise aufgeschreckten Finanzmärkte für ihre Länder milde zu stimmen. Dabei hatte die begehrte Erfindung damals noch nicht einmal in Deutschland ihren Leistungsnachweis erbracht. Ja, sie ist diesen bis heute schuldig geblieben, denn die Polit-Konstrukteure haben die versprochene Bremswirkung wohlweislich sehr weit in die Zukunft gelegt.
Und gerade dies ist vermutlich auch der Clou bei der Sache: Da die Bremse ohnehin nicht funktionieren wird, kann man sie nur so lange anpreisen, wie sie noch nicht getestet wurde. Danach muss man sie eh zum alten Eisen werfen.
Inzwischen ist das Interesse an der Erfindung zwar ohnehin wieder abgeflaut, aber wenn schon eine Bremse, dann hielten wir daher eine Art verfassungsrechtliche Volksverdummungsbremse für sinnvoller. Damit meinen wir ein Verbot, dem Wahlvolk Märchen aufzutischen und diese auch noch als realistische Vorhaben zu verkaufen. Schließlich hat sogar jedes Kind das Recht, irgendwann einmal die Wahrheit zu erfahren über Weihnachtsmann, Osterhase oder den gerade zitierten Klapperstorch. Erst recht haben erwachsene Bürger einen Anspruch darauf, über das Märchen von der Schuldenbremse aufgeklärt zu werden. „Dann wissen die Leute, woran sie sind“, heißt es sogar schon im Märchen. Im Klartext: Eher wird uns der Klapperstorch ein Menschenbaby genau an jenem Tag bringen, an dem Weihnachten und Ostern zusammenfallen, als dass der Staat mit dem Schuldenmachen aufhört.
Dabei sieht die Schuldenbremse gar nicht einmal vor, damit richtig aufzuhören. In modernem Politikersprech heißt „sparen“ nämlich nur, dass die öffentlichen Schulden etwas langsamer anschwellen sollen als in der Vergangenheit. Wobei hier die Betonung auf „sollen“ liegt, denn in der Praxis dürfte nicht einmal dies funktionieren. Und zwar aus folgendem Grund:
Hielte sich ausgerechnet der Staat in Zukunft beim Schuldenmachen
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