159 - Der Dämon und die Besessene
»Tony«, sagte Vicky Bonney, meine hübsche blonde Freundin, als ich das Wohnzimmer betrat. »Telefon für dich.«
»Wer ist es?« wollte ich wissen, bevor ich den Hörer entgegennahm.
»Rip Hunnicutt«, antwortete Vicky. Hip, der Erfolgsautor, hatte einiges hinter sich. Zuerst hatte in seinem Haus ein tödlicher Spuk sein Unwesen getrieben, und dann waren seine Frau Velda und seine Tochter Ginny in einem Höllencamp gelandet, aus dem ich sie, zusammen mit vielen anderen Gefangenen, zurückholen konnte. [1]
Ich meldete mich. »Hallo, Hip, wie geht’s?«
»Sie müssen denken, wir hätten keine Manieren, Tony«, sagte der Schriftsteller. »Wir haben uns nicht einmal für Ihre selbstlose Hilfe bedankt. Sie haben Kopf und Kragen riskiert, wagten sich in die Hölle und bekamen nicht einmal ein Dankeschön dafür, aber wir waren so überwältigt, so glücklich…«
Ich hatte Velda und Ginny, gemeinsam mit Mr. Silver, bei ihm abgeliefert, und wir hatten sie ganz ihrer Wiedersehensfreude überlassen.
»Lassen Sie sich deshalb keine grauen Haare wachsen, Rip, das geht schon in Ordnung«, sagte ich. »Ich kann das durchaus verstehen.«
»Wir stehen tief in Ihrer Schuld, Tony. Wir werden nie vergessen, was Sie für uns getan haben.«
»Schon gut, aber nun hören Sie damit auf. Sie machen mich ja ganz verlegen. Was ich für Ihre Frau und Ihre Tochter getan habe, würde ich genauso für andere tun. Nüchtern betrachtet kann man sagen: Das ist mein Job.«
»Auf der nächsten Party sind Sie unser Ehrengast«, verkündete Rip Hunnicutt. »Mr. Silver natürlich auch.«
»Ich werd’s ihm bestellen«, entgegnete ich. »Er wird sich bestimmt freuen.«
»Wer wird sich freuen?« fragte der Ex-Dämon, der zur Tür hereinkam, als ich auflegte.
»Du.«
»Aha, und worüber?«
Ich verriet es meinem hünenhaften Freund, der die Nase kräuselte und meinte: »Das bedeutet, ich muß mich demnächst wieder in meinen Smoking quetschen.«
»Du könntest bis dahin ja versuchen, ein paar Pfund abzunehmen«, bemerkte ich lächelnd. »Oder ich rede mit Rip, damit er für dich eine Pyjamaparty veranstaltet.«
Ich setzte mich und schob mir ein Lakritzenbonbon in den Mund. Das Telefon schlug an, und Mr. Silver alberte wieder einmal mit seiner Magie herum: Er ließ den Hörer hoch-und an mein Ohr schweben.
»Ballard«, meldete ich mich und hielt den Hörer fest.
»Tony, hier ist Shelly Robinson«, kam es gepreßt durch den Draht. »Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern…«
Und ob ich mich an sie erinnerte. Sie war mit ihrem Vater in Tibet gewesen. Professor Paul Robinson hatte einen tödlich gefährlichen Kristall aus einer einsamen Höhle im Transhimalaya geholt und nach London gebracht. Der Geist des Dämons Ragamm hatte sich in dem Kristall befunden. Ein Geist, der vernichten, der töten wollte. Dazu hatte er einen Körper gebraucht. Professor Robinsons Körper. Ragamm hatte Paul Robinson zum Killer mit den Teufelszangen gemacht. Wir mußten ihn töten. [2]
Shelley hatte das Haus, in dem sie mit ihrem Vater gewohnt hatte - in der Dover Street -, verkauft und war aufs Land gezogen.
Oja, ich konnte mich noch sehr gut an sie erinnern.
Ihre Stimme verriet mir, daß sie in Schwierigkeiten war, deshalb fragte ich geradeheraus: »Was kann ich für Sie tun, Shelley?«
Sie seufzte unglücklich. »Wenn ich das nur wüßte.«
»Was für ein Problem haben Sie?«
»Auch darauf kann ich Ihnen keine klare Antwort geben«, sagte Shelley deprimiert. »Ich habe Angst, ohne zu wissen, wovor. Ich befürchte, es ist noch nicht alles ausgestanden.«
»Sie meinen: mit Ragamm?«
»Ja.«
»Er ist tot.«
»Sind Sie sicher?«
»Sie waren dabei, als Mr. Silver und ich ihn vernichteten«, sagte ich. »Was Ihnen zu schaffen macht, ist der Nachhall der schrecklichen Ereignisse. Es wird eine Weile dauern, bis Sie darüber hinweg sind.«
»Ich fürchte, ich komme nie darüber hinweg«, klagte das Mädchen. »Die Furcht würgt mich mit eiskalten Fingern und läßt nicht von mir ab. Ich habe ständig das Gefühl, daß etwas Entsetzliches passieren wird - hier in diesem Dorf, und wahrscheinlich auch mit mir. Ich wage meinen Blick nicht in die Zukunft zu richten, Tony, und meine Ahnung quält mich von Tag zu Tag mehr. Wohin soll das führen? Ich bemühe mich ehrlich, zu vergessen, aber es will mir nicht gelingen. Manchmal ist mir, als würde mir ein tödliches Gift anhaften, das mir und anderen gefährlich werden kann.«
»Würde es Ihnen
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