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Die Wahrheit und andere Lügen

Die Wahrheit und andere Lügen

Titel: Die Wahrheit und andere Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Arango
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eine Erklärung dafür, Herr Hayden, warum Ihre tote Ehefrau im Wagen der verschwundenen Lektorin sitzt?«
    Â»Ich verstehe nicht, wie das sein kann. Nein. Wären Sie so freundlich, die Bilder wieder abzudecken? Das ist sehr schmerzhaft.« Blum warf Jenssen einen Blick zu, der die Bilder wieder abdeckte.
    Â»Kannten sich Ihre Frau und Ihre Lektorin?«
    Â»Sie sind sich begegnet. Auf einer Cocktailparty im Garten meines inzwischen auch verstorbenen Verlegers.« Aus dem Augenwinkel sah Henry, wie einer der Beamten in seine Jackentasche griff, seine Hand aber nicht wieder herauszog. Mit Sicherheit schaltete er ein verborgenes Aufnahmegerät an.
    Â»Sie gingen gelegentlich baden zusammen.« Henry konnte spüren, wie sich die Atmosphäre im Raum langsam auflud. »Ich war nie dabei. Martha erzählte mir, dass Betty keine gute Schwimmerin war. Sie müssen wissen, Marthas Leidenschaften waren Schwimmen und Wandern.« Jenssen zückte einen Kugelschreiber.
    Â»Stört es, wenn ich mir Notizen mache?«
    Â»Keineswegs. Unser Leben war sehr, wie soll ich sagen, geregelt. Ich schreibe nachts. Das ist die Zeit, wenn mir die besten Ideen kommen. Morgens schlafe ich länger, meine Frau ging schwimmen oder wandern.«
    Â»Wo? Hatte sie feste Wanderrouten?«
    Â»Das würde nicht zu ihr passen. Sie entschied immer ganz spontan. Sie wanderte gerne abgelegene Wege, wo man keine Menschen trifft. Sie liebte die Natur, die Einsamkeit … Haben Sie eine Karte?«
    Die Männer schauten sich an, dann flitzte Jenssen aus dem Raum und kam kurz danach mit der von Dartpfeilen durchlöcherten Karte wieder. Henry sah zu, wie die Beamten die Karte umständlich auf dem Boden ausbreiteten. Er nahm die Linien und Punkte darauf wahr. »Ignorieren Sie die Löcher auf der Karte, Herr Hayden. Wissen Sie, wo Ihre Frau gern wanderte?«
    Â»Aber sicher«, entgegnete Henry, hockte sich hin, »sie hat mir viel davon erzählt.« Er deutete auf verschiedene Regionen. »Da zum Beispiel, dieser Wald hier, wo die vielen Punkte sind, da ging sie oft wandern. Es muss dort wunderschön sein.«
    Es kam Ferienstimmung unter den Kriminalisten auf. »Und hier?« Blum deutete auf das Gebiet an der Steilküste.
    Â»Martha liebte das Meer und war absolut schwindelfrei. Sie ist gern hoch über dem Meer gewandert, ganz nah am Abgrund gewissermaßen, man konnte es nicht mit ansehen. Ich wollte ihr immer ein Telefon schenken, damit sie mich im Notfall erreichen konnte, aber sie wollte keins. Sie hasste Mobiltelefone.«
    Â»Da haben wir unseren geheimnisvollen Anrufer!«, jubilierte Blum auf der Herrentoilette.
    Â»Dann«, erwiderte Jenssen, der sich aufs Wasserlassen konzentrierte, »wäre Martha Hayden also der Vater des Kindes mit dem Doppelleben, der sich perfekt tarnt und sich bestens mit Ortungstechniken auskennt?«
    Blum trocknete sich bereits die Hände ab. »Jenssen, als erfolgreicher Kriminalist müssen Sie fähig sein, Denkmodelle zu verlassen. Abstrahieren Sie. Wir waren auf dem Holzweg. Da kommen gerade neue Fakten rein.«
    Jenssen wusch sich die Hände, was er sonst nicht getan hätte, wenn sein Vorgesetzter nicht danebengestanden hätte. »Warum«, fragte er, »ruft sie die Lektorin an, statt, sagen wir, ihren Mann? Was hat sie mit ihr zu besprechen? Und warum heimlich?« Blum legte die Hand auf die Klinke.
    Â» Das herauszufinden, sind wir geboren. Sie nicht, stimmt’s, Jenssen?«
    Als die beiden Männer von der Toilette zurückkamen, hatte Henry die Decke von der Tafel gezogen und betrachtete wieder die Fotos. »Ich glaube nicht, dass sich meine Frau in diesem Auto ins Meer gestürzt hat. Sind Sie sicher, dass das Bettys Wagen ist? Betty sagte mir, dass er ihr gestohlen wurde.«
    Â»Das ist ihr Wagen, Herr Hayden, und dieser Punkt beschäftigt uns auch sehr. Sie meldete den Wagen als gestohlen, konnte aber den Schlüssel nicht vorweisen, natürlich nicht, er steckt ja noch im Zündschloss, wie wir jetzt wissen. Sie hat der Versicherung angegeben …«, Jenssen schaute auf ein Papier, »… sie wolle kein Geld für den Wagen.«
    Â»Das ist merkwürdig. Sie hat mir von diesem Mann berichtet, diesem …«
    Blum winkte ab. »Wäre der Wagen gestohlen worden, hätte sie mindestens einen Autoschlüssel haben müssen.«
    Gepriesen sei dieser Schlüssel! Mehr als einmal hatte Henry der

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