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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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auf, die man bei hochklassigen Eigentumswohnungen in den USA voraussetzt. Vom Staat errichtete Wohnungen sind in Singapur kein Zeichen wirtschaftlicher Schwäche. HDB-Wohnungen stehen allen Einkommensgruppen zur Verfügung, obwohl es ein Einstiegslimit gibt, und 95 Prozent der Bewohner sind heute Eigentümer ihrer Wohnungen.
    Einer der entscheidenden Gründe ist die hohe Spar- und Investitionsquote im Land. Singapur verfügt pro Kopf der Bevölkerung über die höchste Sparquote der Welt. Jeder spart und investiert für die Zukunft, wie es auch in vielen anderen asiatischen Ländern der Fall ist. Allerdings wird in Singapur das Sparen gefördert. Man muss 20 Prozent seines Einkommens in den Central Provident Fund (CPF) einzahlen. Das ist ein staatlicher Pensionsfonds, in den auch die Arbeitgeber 16 Prozent des Gehalts einzahlen. (Die Beiträge hängen von den Löhnen ab, bis zu einem monatlichen Maximum. Ältere Arbeitnehmer und Menschen, die weniger verdienen als ein bestimmtes Minimum, müssen, ebenso wie ihre Arbeitgeber, weniger einzahlen.) Man kann seine Ersparnisse für die Gesundheitsversorgung einsetzen, für seine Ausbildung oder für den Kauf einer Wohnung. Das Geld gehört der jeweiligen Person, wird auf einem separaten Konto verbucht, aber man darf seine CPF-Gelder nicht für einen Maserati, Nächte in der Disco oder einen Urlaub in Cancún ausgeben.
    Wir wohnen weniger als einen Kilometer von der Schule entfernt, und manche Leute in Singapur kennen mich als den weißen Mann, der seine Kinder mit dem Fahrrad zur Schule bringt. Das Fahrrad ist eine Spezialanfertigung aus Holland mit einer Passagierkabine aus Holz, in der zwei Leute Platz haben. So wie Kalifornien ist auch Singapur eine Autogesellschaft. Vor 50 Jahren fuhr in Singapur jeder mit dem Fahrrad, aber als die Menschen reich wurden, kauften sie Autos, um ihren Wohlstand zu demonstrieren. Das passierte auch in Schanghai und in anderen asiatischen Städten. Aber der Verkehr wird allmählich zum Problem und Fahrräder erleben ein Comeback.
    Um die Verkehrsstaus während der Stoßzeit auf verschiedenen Straßen zu bekämpfen, führte Singapur 1998 das Electronic Road Pricing System (ERP) ein, ein automatisches Mautsystem. Sensoren kommunizieren mit einer In-Vehicle Unit (IU), die am Auto befestigt ist. Die IU enthält eine Zahlkarte, von der die Mautgebühren automatisch abgebucht werden. Man kann mit dem ERP-Konto viele Dinge tun, die das Leben sehr einfach machen. Zum Beispiel fährt man auf einen Parkplatz und die Gebühren werden automatisch abgebucht. In den USA bezahlen wir Mautkassierer und Parkplatzwächter. In Singapur nicht. Es handelt sich um eine kleine Insel, und sie mit Mauthäuschen vollzupacken, würde die Dinge nur komplizierter machen.
    Von all den Dingen, die Singapur richtig gemacht hat, zählt das Bildungswesen zu den wichtigsten. Der Hauptgrund, warum ich hierhergezogen bin, war die Ausweitung der Bildung meiner Kinder. Ich wollte, dass sie Asien kennenlernen. Ich wollte, dass sie Mandarin sprechen, aber ich wusste auch, dass ihre formale Schulausbildung in Singapur sehr streng sein würde. In meiner Schulzeit in den 1950er-Jahren machten sich Mitschüler häufig darüber lustig, wenn man Prüfungen und Hausaufgaben ernst nahm. Sogar in Yale nannte man Studenten, die viel lernten, aus eben diesem Grund »­Weicheier«. Ich weiß nicht, ob sich das in den USA seither wesentlich geändert hat. Ich weiß aber, dass es in Singapur keine Weicheier gibt. Hier ist die gesamte Kultur von der Erkenntnis durchdrungen, wie wichtig Bildung ist.
    Eines Tages kam Happy nach Hause und sagte, dass die Schüler der amerikanischen Schule, einer großen internationalen Schule, in der zweiten Klasse keine Hausaufgaben bekamen. Sie war nicht wütend, sondern stellte das einfach so fest. Sie musste von der ersten Klasse an mindestens zwei Stunden Hausaufgaben machen, und an der amerikanischen Schule gab es keine Hausaufgaben. Ich muss gestehen: Manchmal frage ich mich, ob ich wirklich richtig damit liege, wenn ich sie dazu auffordere, so viel Zeit auf ihre Hausaufgaben zu verwenden. Sollte sie sich wirklich so sehr um die Arbeit kümmern, die sie mit nach Hause bringt? Wäre sie in ihrem Alter nicht besser dran, wenn sie einfach spielen würde? Ich frage mich, ob all diese Arbeit die achtjährigen Kinder nicht letztlich überfordert. Was wird passieren, wenn Happy 18 ist? Vielleicht sagt sie einfach: »Zur Hölle! Ich gehe jetzt zur Armee, damit ich

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