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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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einen großen Teil dessen aus, was man ausgeben muss, um in diesem Land Geschäfte zu machen. Die enormen Kosten, sich vor Prozessen zu schützen, alles doppelt und dreifach zu prüfen, ob im Geschäftsleben, im Bildungs- oder im Gesundheitswesen, gehören zu den treibenden Kräften, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu schwächen.
    Wir geben heute über 17 Prozent unseres Bruttosozialprodukts für Gesundheitsversorgung aus. Das ist mehr als das Doppelte des weltweiten Durchschnitts und liegt um mehrere Prozentpunkte höher als die Ausgaben Deutschlands, das in diesem Bereich den zweiten Platz belegt. Und es kommt nur sehr wenig dabei heraus. Man schafft keine herausragende Leberoperation, wenn man die Hälfte seiner Zeit damit verbringen muss, sich gegen Schadenersatzklagen abzusichern. Vor allem schafft man keine billige Leberoperation, wenn alle diese zusätzlichen Kosten anfallen – man muss die Patienten unnötigen Tests und Prozeduren unterziehen, um die juristischen Anforderungen zu erfüllen.
    Ein Unternehmen kann keine wettbewerbsfähigen Autos produzieren, wenn es enorme Beiträge für die Krankenversicherung seiner Belegschaft bezahlen muss. Deren Höhe wird von den ausufernden Medizinkosten bestimmt, die wiederum von Schadenersatzklagen in die Höhe getrieben werden. Ärzte in Deutschland und Japan sind nicht mit diesen zusätzlichen Ausgaben konfrontiert. Das bedeutet, dass deutsche Autos wettbewerbsfähiger sind als amerikanische. Japanische Traktoren sind viel wettbewerbsfähiger als amerikanische. Rechnen Sie zu den Krankenversicherungen noch die Kosten für Versicherungen gegen Klagen hinzu – die Kosten für die Absicherung gegen alle Arten von Gerichtsprozessen, die belanglosesten eingeschlossen –, dann können Sie diese Ausgaben von dem abziehen, was ein Hersteller ansonsten hätte ausgeben können, um bessere Autos zu produzieren. Das Geld, das General Motors in seine Autos steckt, um die finanziellen Bedürfnisse der amerikanischen Anwälte zu befriedigen, geben Honda und BMW für Ingenieurleistungen aus.
    Das zieht sich durch die gesamte Wirtschaft der USA und erhöht sämtliche Kosten. Jeder, der auch nur einen Hamburger serviert, muss in seine operativen Kosten gewaltige Summen für Kranken- und Rechtsschutzversicherung einkalkulieren. Und das ist ein ausschließlich amerikanisches Phänomen. In Übersee gibt es das nicht. Als wir in Singapur unsere Hausversicherung abschlossen, bat ich die Frau, die sie uns verkaufte, auch eine Rechtsschutzversicherung mit aufzunehmen. Sie sagte mir, ich könne eine solche Police zwar erhalten, aber die Gesamthöhe der Versicherung würde das kaum erhöhen. »Das passiert hier nicht«, sagte sie. Und sie hatte recht. Aber das hätte man auch in Amerika sagen können – vor 50 Jahren.
    Langsam beginnt die Entwicklung auch im Vereinigten Königreich, wo viele amerikanische Anwaltskanzleien Filialen haben, aber bei Weitem nicht in diesem Ausmaß. Das Gerichtswesen in Europa ist gegenüber absurden Klagen bei Weitem nicht so tolerant wie die Gerichte in den USA. An den meisten europäischen Gerichten herrscht die Regel, dass der Verlierer die Anwaltskosten des Gewinners bezahlen muss. In den USA läuft das anders. Einen Prozess zu führen kostet nichts. Man riskiert keinen finanziellen Verlust, wie lächerlich die Klage auch sein mag.
    Bei Schadenersatzklagen arbeiten die Anwälte auf Beteiligungsbasis. Sie erhalten einen bestimmten Prozentsatz der Summe, die sie herausholen, oder, genauer gesagt, der Summe, auf die man sich mit dem Beklagten einigt. Es kommt selten vor, dass sie wirklich gewinnen. Oft versuchen sie es gar nicht erst. Sie wissen, dass der Beklagte irgendwann merken wird, dass die Verteidigung gegen die Klage viel teurer ist als ein Vergleich. Sie kostet ihn nicht nur sein ganzes Geld – selbst wenn er gewinnt –, sondern ein gezielter, effektiv geführter Prozess kann auch seine gesamte Zeit und Energie aufzehren und sein Leben zu einem Elend machen oder wie es Jimmy Tisch, der CEO der Loews Corporation ausdrückte, zu einem Gefängnis. Man kann den berühmten alten Spruch über die Börse abwandeln: Anwälte können länger irrational sein, als man selbst solvent bleiben kann. Oder bei klarem Verstand.
    Bestimmt haben Sie schon einmal gesehen, wie diese Anwälte im Fernsehen ihre Dienste anbieten. Die Aufgabe ihrer Angestellten besteht darin, die Nachrichten zu durchforsten, auf Katastrophen zu achten, die Opfer zu

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